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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gertrud Höhler
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dieses Präsidenten hat die Demokratieverluste vor der Wahl des Funktionspräsidenten Nummer zwei fast vergessen lassen; wäre da nicht das Déjà vu nach Wulffs Abgang, die Wiederkehr des Kandidaten, den die Kanzlerin 2010 verhindert hatte, bei der nächsten Präsidentenwahl, 2012.
    Dass ein verhinderter Kandidat erneut präsentiert wird, ist nichts Ungewöhnliches. Dass es dieselben Gruppen sind, die ihn erneut ins Rennen schicken, ist ebenso trivial. Dass er auf dieselben entschiedenenGegner trifft wie beim erstenmal, gehört zum Drama, solange dieselben Machtpositionen noch mit denselben Personen besetzt sind wie beim ersten Vorstoß. Die erste und zweite Gauck-Präsentation für das Präsidentenamt sind aber gar nicht trivial. Vielmehr erzählen sie eine Geschichte voller verschwiegener Wahrheiten.
    Wurde die ‹Präsidentendämmerung› tiefer als der charismatische Bewerber Joachim Gauck von der Kanzlerin verhindert, ihr Favorit Wulff über die Holperstrecke von drei Wahlgängen ins Amt stolperte, so brachte das Frühjahr 2012 eine Sternstunde der Demokratie, die sich auch gegen das Kalkül der Machthaber durchsetzte.
    Der Spielplan für Christian Wulffs Scheitern im Präsidentenamt wurde aber, wie jener für Köhlers Rücktritt, schon bei den intriganten Vorbereitungen zu Wulffs Wahl geschrieben.
    In der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt, gilt der Satz des Grundgesetzes: Jeder ist hier nur seinem Gewissen verantwortlich. Nicht der Kanzlerin, nicht seinem Parteichef. Die CDU-Führung folgt nicht der Verfassung, sondern Merkels Gesetz: Die Abgesandten der Länder aus Kunst, Literatur und Wissenschaft werden mehrheitlich durch todsichere Parteigänger ersetzt. Ergänzend wird die Horrorlegende gestreut, ein scheiternder Kandidat werde die Regierung scheitern lassen.
    Nach der Nacht-und-Nebel-Ernennung Horst Köhlers ist das, was die Regierungspartei CDU an Demokratieverlusten ins Werk setzt, um seinen Nachfolger Wulff ins Amt zu boxen, schon radikaler. Während die Entdeckung des Kandidaten Gauck auch von der Presse gefeiert wird, folgt die CDU dem autoritären Kommando einer Führung, die zur Demokratie ein utilitaristisches Verhältnis hat. Angela Merkel ist längst aus dem Kosmos der Überzeugungen und Wertebindungen ausgestiegen. Ihre Anhänger folgen ihr teils entgeistert, teils mit verhaltenem Zorn. Die CDU-Kultur ist längst eine Kultur der Fäuste in den Taschen geworden.
    Schon 2010 lag das Drama der ‹Präsidentendämmerung› als ein Symbol für unsere Verlustbilanz unter der Herrschaft Angela Merkels vor aller Augen.
    Es lohnt sich, das Stellvertreter-Szenario, das mit den Präsidentenwahlen nun dreimal aufgemacht worden ist, als ein Pars pro toto , einModell des Ganzen zu sehen. Schon 2010 flackerte in einigen Köpfen die Vision von einer Chance auf, die Angela Merkel hätte ergreifen können. Zwei Jahre später geschah das Wunder: Die Chance kam wieder. Und andere ergriffen sie mutig. Angela Merkel musste ihnen folgen.
    Wer sich Demokratie nicht mehr leisten kann, um an der Macht zu bleiben, sollte nicht an der Macht bleiben. 180
    Nicht wer Gauck ist, sondern was er schon damals, 2010, auslöste, entscheidet. Bei Angela Merkel löst er Panik aus, weil er mit einer ganz andern Siegermelodie unterwegs ist, deren fernes Echo anschwillt, wo immer er auftaucht: ‹WIR sind das Volk.›
    Diese Melodie macht genau das gegenstandslos, was die Polit-Elite zusammenhält, wenn sie das höchste Staatsamt zur Funktion ihres Machterhalts macht: Demokratie ohne Volk.
    Wer sich vornimmt, den Präsidenten zu steuern, beschädigt das höchste Amt. Wer Wahlmänner und Wahlfrauen zu steuern versucht, missbraucht die Bundesversammlung. Wer beides schon fast normal finden wollte, wurde schon 2010, noch vor der manipulierten Wulff-Wahl, beschämt durch einen Vaganten der deutschen Horror-und Heilsgeschichte, der überparteilich so überzeugend ist, wie es der Bundespräsident sein kann, wenn sein Amt nicht zur Beute der Parteien wird. Was der Kandidat Gauck auslöst, ist eben nicht von gestern, sondern es ist so etwas wie zeitloses Zutrauen zu den eigenen Kräften. Gauck preist die Freiheit, während andere nach Sicherheit rufen. Er ist auch deshalb für viele FDP-Abgeordnete schon 2010 der Kandidat, dem sie ihre Stimme geben.
    Joachim Gauck, auch das war vielen heimwehkranken CDU-Abgeordneten schon 2010 eine Botschaft, die mehr Herkunft als Zukunft mit Merkel versprach: Gauck setzt auf Werte, die bei uns

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