Die Patin
mit der unsinkbaren Kanzlerin, die der Lehrerin einen Streich spielen. Sie wechseln das Lager, nachdem ihr eigenes von der Kanzlerin planiert wurde, und treten der Meisterin aller gebrochenen Versprechen mit einer Allparteien-Streitmacht in den Weg. Nicht einmal als Intrige lässt sich dieser Aufstand der Geächteten lesen. Und das Bild des Kandidaten trägt dieselben Züge: Da betritt kein Intrigant die Bühne, um der Dealerin endlich das Handwerk zu legen, sondern ein mit der Einfalt der Wahrhaftigkeit bewaffneter Deutscher aus einem Wertekosmos, der von nun an wieder zur Debatte steht, wenn die Demokraten es wollen. Dieser Wettbewerber aus dem anderen Deutschland ist der sieggewohnten Karrieristin Merkel in einer Weise überlegen, die ihr Sorgen machen muss. Ihre eigene Überlegenheit, als sie auf die westdeutsche Politstrekke ging, bestand nämlich in der Verschrottung all jener Werte, die das Lager der Westpolitiker der CDU/CSU und der FDP zusammenhielten. Sie war die Leichtfüßige, die situativ nach Wertzitaten griff und radikal Verfassungswerte und Rechtsnormen außer Kraft setzte, wenn sie dem Augenblickserfolg im Wege standen. Fassungslos blieben die Mitbewerber zurück, die nicht auf den Ruderbänken unter Deck PLatz nehmen wollten.
Die Vorgeschichte der Kanzlerin ist eine Erfolgsgeschichte beim Werte-Schreddern und Werte-Transfer. Auch die Planwirtschaft braucht Werte, aber nur von Fall zu Fall und nur im Takt des Fortschritts der Macht.
Der neue Präsident wird schon bald und ungewollt zum Gegenspieler der Kanzlerin.
Er reist nach Israel und trifft auf erwartungsvolle deutsche Journalisten, die Merkels Credo im Ohr haben, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsräson. Wird Joachim Gauck die Formel übernehmen oder wird er eine Variante wagen? Die meisten Beobachter, auch in Israel, ahnen: Dieser Präsident wird nicht den Geist der Losung verlassen, die Merkel ausgegeben hat; aber er wird versuchen, das Dilemma zu verlassen, in das die Kanzlerin bei jeder militärischen Konfrontation des Staates Israel mit seinen Nachbarstaaten geraten wird: Das «Existenzrecht Israels» sei für die deutsche Politik «bestimmend», sagte er vor seiner Begenung mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres. Merkels Satz von der Staatsräson sei «ein sehr gewagtes Wort», bemerkte der Präsident. Nicht alles, was man moralisch vertrete, könne man auch politisch verwirklichen. Die Kanzlerin, so Gauck, könne mit ihrem Bekenntnis noch in «enorme Schwierigkeiten» geraten. Auf Journalistenfragen ergänzte er in den Medien: Er wolle sich nicht jedes Szenario vorstellen.
Die Kanzlerin hatte sich 2008 vor der Knesset noch entschiedener festgelegt: Diese Staatsräson Deutschlands sei «niemals verhandelbar». 189 Gauck versucht, die wachgerüttelten Beobachter zu beruhigen: «In der Sache bin ich ganz dicht bei Angela Merkel», versicherte er. 190
Die Süddeutsche Zeitung dokumentierte am 1. Juni 2012, was die Kanzlerin zur «Staatsräson» gesagt hat:
Die Kanzlerin am 25. September 2007 vor der UN-Vollversammlung:
«Jeder deutsche Bundeskanzler vor mir war der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Existenz Israels verpflichtet. Zu dieser besonderen historischen Verantwortung bekenne ich mich ausdrücklich. Sie ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar. »
Der Bundespräsident Joachim Gauck am 29. Mai 2012 in Israel:
«Ich will mir nicht jedes Szenario ausdenken, welches die Bundeskanzlerin in enorme Schwierigkeiten bringen könnte mit ihrem Satz, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson ist.»
Und der Bundespräsident im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit , das am 31. Mai 2012 erschien:
«Dieser Satz von Frau Merkel kommt aus dem Herzen meiner Generation. (…) Er bedeutet letztlich womöglich eine Überforderung, vielleicht auch eine in ganz tiefen Schichten wurzelnde magische Beschwörung. Alles, was wir tun wollen, soll geleitet sein von dem Ziel, dass Israel als Heimstatt der Juden beschützt sein soll. Dieser Satz ist nicht nur aus der politischen Ratio geboren, sondern aus einer tiefen Zerknirschung. Es ist ein moralischer Appell an uns selber, bei dem ich sehr besorgt bin, ob wir die Größe dieses Anspruchs an uns selbst in politisches Handeln umzusetzen vermögen. Das kann sich ein Mensch meiner Generation nur wünschen.»
Der Präsident denkt nach, die
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