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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gertrud Höhler
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aus der europäischen Transferunion in dieselbe Richtung: die bewährte Achse England-Amerika verspricht mehr Verlässlichkeit als die deutsche Führung liefern will.
    Der vom ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan vertretenen Responsibility to protect, die militärisches Eingreifen dann erlaubt, wenn die Zivilbevölkerung bedroht ist, schließt sich die deutsche Regierung nicht an.
    Die diplomatische Vorgeschichte der Resolution ist kompliziert, auch unter den transatlantischen Verbündeten schwanken die Positionen. Die USA entscheiden erst Mitte März für ein Eingreifen; Sarkozy votiert schon etwas früher für die Militäraktion. Die deutsche Kanzlerin sendet ein erstes Zeichen ihrer Regie über die deutsche Position, die keineswegs ein Alleingang des Außenministers ist, in der Saarbrücker Zeitung am 17. März 2011. Am 16. März hat sie verspätet von Obamas Entscheidung für die Intervention erfahren, die am 15. März gefallen ist. Einen Anruf aus dem Weißen Haus hatte es nicht gegeben. Merkel plädiert in dem Zeitungsinterview für harte wirtschaftliche Sanktionen. «Eine militärische Intervention allerdings sehe ich skeptisch», teilt sie mit. «Als Bundeskanzlerin kann ich uns da nicht in einen Einsatz mit äußerst unsicherem Ende führen.» Die Verbündeten hatten mit ihrer Entscheidung für das Eingreifen das Votum der Arabischen Liga abgewartet, das am 22. Februar veröffentlicht wurde. Die Arabische Liga verurteile die Gewalt des Gaddafi-Regimes und biete den Rebellen ihre Unterstützung an, heißt es darin.
    Der wichtigste Kommentar zur deutschen Haltung kommt vom ehemaligen General Klaus Naumann und seinen Fachkollegen: Deutschlands demonstrative Absetzbewegung aus dem transatlantischen Bündnis in der UN-Abstimmung sei keineswegs, wie es im Regierungsjargon heißen könnte, ‹alternativlos› gewesen. Der deutsche Botschafter hätte vom Kanzleramt – denn dort fiel die Entscheidung – den Auftrag erhalten können, ein «Ja, aber» zu liefern: Zustimmung zur gemeinsamen Resolution, verbunden mit dem Hinweis auf Auslandsengagements und der Bitte um Planungsspielräume.
    Naumanns Hinweis liefert zugleich den Beweis, dass Merkel die Alleinstellung Deutschlands bei der UN-Resolution wichtig war. Es kann ja gar nicht bezweifelt werden, dass sowohl das Auswärtige Amt als auch das Kanzleramt den Rat erfahrener Militärs in Anspruch genommen hatte, die Naumanns Rat bestätigten.
    Die Kanzlerin wollte die Demonstration: Wir lockern auch bewährte Bindungen; Deutschland dominiert einen Prozess, der Umbau und Neuordnung nicht nur der europäischen, sondern auch der transatlantischen Beziehungen zum Ziel hat.
    Im innenpolitischen Wettbewerb um die Macht arbeitet das System M mit der Methode der Enteignung von Schlüsselthemen der Konkurrenten. Die bisher spektakulärste Volte der Kanzlerin liefert für dieses Verfahren das beste Beispiel. Was das Kanzleramt bald darauf mit der Schicksalsvokabel ‹Energiewende› belegen sollte, war vor allem ein Überfall auf das angestammte Revier der grünen Partei: Plötzlich, von einer Sekunde zur andern, wurde die Botschaft der Grünen, die sich auf eine neue Koalition mit den Sozialdemokraten vorbereiteten, Regierungsmelodie einer CDU-Kanzlerin.
    Ein Jahr nach dem Einmarsch der Regierungspartei CDU in ihr Allerheiligstes, das Antiatom-Credo, schwächelt die grüne Partei genauso wie die Sozialdemokraten nach der Großen Koalition, wo sozialpolitische SPD-Unikate plötzlich mit CDU-Tinte unterschrieben wurden. Auch die Sozialdemokraten kamen deutlich geschwächt aus dieser verlustträchtigen Umarmung mit der christdemokratisch kostümierten Aussteigerin. Denn zugleich stieg die CDU-Vorsitzende aus Themenklassikern ihrer eigenen Partei aus: in der Arbeitsmarktpolitik, der Familien- und Bildungspolitik, in der Gesundheitspolitik.
    Thementransfer gegen den Willen der Enteigneten ist eins der durchschlagenden Machtvehikel der Kanzlerin Merkel. Eine Partei aber schließt sie als Lieferanten von Themen-Unikaten aus: die Liberalen.
    Mit dieser Partei geht sie 2009 in eine Koalition ohne Beispiel, die schon am Start nur zwei Ziele hat: ein kurzfristig erreichtes, die Zulieferung von Wählern für die Regierungsmehrheit, und ein längerfristiges, das aber auch schon deutlich vor dem Ablauf der vier Regierungsjahreerreicht wird: die Tilgung der liberalen Partei von der politischen Landkarte Deutschlands. Ohne Beispiel ist diese Koalition nicht nur, weil der hastig

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