Die Peitschenbrüder
Das Feuer war längst erloschen. Seine Augen brauchten eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Er sah zwei leuchtende Punkte, dann den schwarzen Schatten, der sich riesig vor den Höhleneingang schob.
Blitzschnell bückte er sich und kam mit dem Gläsernen Schwert in der Hand wieder hoch. Matt leuchtete es in der Dunkelheit. Der riesige Bär stand auf den Hinterbeinen aufgerichtet im Höhleneingang, die gewaltigen Pranken vorgestreckt. Mythor, völlig nackt und schutzlos, zögerte keinen Augenblick. Er sprang vor und ließ dem Tier keine Chance, zuerst anzugreifen. Das Gläserne Schwert bohrte sich bis zum Heft in die Brust des Bären. Blitzschnell zog Mythor es heraus, sprang zurück, bevor die Pranken sich um ihn schließen konnten. Der Bär stieß einen langgezogenen, markerschütternden Schrei aus. Tödlich verwundet, stand er noch aufrecht wie ein Fels und machte einen Schritt auf Mythor zu. Mythor nahm einen kurzen Anlauf und rammte ihm die Schulter gegen die blutüberströmte Brust. Die Pranken schlugen über seinem Kopf zusammen. Der Bär taumelte. Mythor trat zurück und versetzte ihm einen zweiten Stoß, legte sein ganzes Körpergewicht hinein und stieß den Herrn der Höhle über die Felsplatte in den Abgrund.
Nach Luft ringend, trat er auf die Platte hinaus und sah zu, wie der schwere Körper tief unten aufschlug. Der Bär rührte sich nicht mehr.
Mythor kehrte in die Höhle zurück. Seine Kleidung war noch feucht, aber draußen hatte es zu regnen aufgehört. Er legte sie an und warf die Decke in eine Ecke. Das Pergament verstaute er wieder sicher.
Draußen begann es schwach zu dämmern. Mythor schalt sich einen Narren für seinen Leichtsinn. Ein Tier, das sich lautloser angeschlichen hätte, hätte ihn im Schlaf überrascht und ihm keine Chance gelassen.
So verließ er die Höhle und machte sich an den Abstieg. Ohne Reittier hatte er einen schweren Weg vor sich. Er konnte nur hoffen, dass die Peitschenbrüder ihren Schlupfwinkel nicht gleich wieder verließen, möglicherweise um Kalathee, Sadagar und Nottr gegen neue Schätze zu verkaufen. Wer konnte wissen, welches Gesindel sich in diesen Bergen außer den Banditen noch herumtrieb?
Der Titanenpfad leuchtete nicht mehr. Der Sturm hatte sich gelegt. Nach einer Stunde ging die Sonne auf, und der Himmel war so klar wie am Tag der Ankunft in Lockwergen.
Das Tal war eine einzige Wasserlache. Mythor watete hindurch, wenn er keinen anderen Weg fand. Immer weiter nach Norden.
Überall regte sich Leben. Kleine Tiere, die vor dem Unwetter in ihren Schlupfwinkeln Schutz gesucht hatten, kamen zum Vorschein. Ein frischer, würziger Geruch lag in der Luft.
Mythor bedauerte jetzt, seine mitgeführten Vorräte den beiden Frauen aus Lockwergen überlassen zu haben. Seinen Durst konnte er an den klaren Bächen stillen. Zur Jagd hatte er aber keine Zeit.
Ohne Rast marschierte er weiter nach Norden, sich seinen Weg zwischen schroffen Felsen und unwegsamem Gelände suchend, das von Dornbüschen überwuchert war. Die Angst um seine Gefährten trieb ihn unermüdlich vorwärts.
Nur an günstigen Stellen reichte die Sicht jetzt noch mehr als einige hundert Schritt weit. Meistens war sie jedoch durch Klippen, Sträucher oder Nadelbäume versperrt. Eine Landschaft, wie geschaffen für einen Hinterhalt. Mythor konnte jetzt nur noch hoffen, dass die Peitschenbrüderbande ihren Unterschlupf erreicht haben würde, wenn er in ihre Nähe kam. Vielleicht glaubten sie, Nottr sei der einzige Verfolger gewesen.
Mythor verließ sich nicht allein auf sein Glück. Immer häufiger kletterte er nun an besonders unübersichtlichen Stellen auf Felsen, von denen aus er einen besseren Überblick auf das Land vor ihm hatte. Die Peitschenbrüder konnten weit vor ihm sein. Andererseits mochte sie das Unwetter weit mehr als ihn aufgehalten haben. Auch mochte es sein, dass einige von ihnen an einem für einen Hinterhalt besonders geeigneten Ort zurückgeblieben waren, um ihm den Garaus zu machen.
Noch einmal würde sich niemand in die Reichweite seines Schwertes wagen. Immer noch hatte er es mit fast vierzig Banditen zu tun. Andererseits waren da drei Gefangene, die darauf hoffen mussten, dass er ihnen folgte, und die ihrerseits losschlagen würden, sobald sie von ihren Fesseln befreit waren.
Mythor schüttelte den Kopf. Zwei, dachte er in der Hoffnung, dass Kalathee schlau genug war, sich zurückzuhalten. Allerdings war ihre Reaktion angesichts dessen, was ihr von den Männern
Weitere Kostenlose Bücher