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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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erschien schwer zu glauben, wenngleich sie mittlerweile tatsächlich der Eindruck beschlich, dass der Wind sich wie Wehklagen anhörte; am Rande ihres Gehörs vermeinte sie, das Geräusch fernen Schluchzens oder leisen Heulens wahrzunehmen. Sie schrieb es ihrer Einbildung zu. »Und was ist geschehen?«, fragte sie unverblümt.
    »Wir wandeln hier über den Schauplatz einer großen Schlacht«, antwortete Cadvan. »Hier leistete der Bund den letzten Widerstand: die vereinten Heerscharen Imbrals und des Reiches Lirion im Norden. Hier prallten sie mit den Streitkräften des Namenlosen aufeinander. Prachtvoll und trutzig müssen ihre Banner gewesen sein und strahlend ihre Schwerter; die Lieder erzählen, dass ihre Speere in der Sonne funkelten wie unzählige Sterne und sich ihre Ränge weiter erstreckten, als das Auge zu schauen vermochte. Hier fand sich die Blume des Volkes der Dhyllin ein: Recabarra, die mächtige Königin von Lirion, in ihrem Streitwagen aus poliertem Stahl, der angeblich heller gleißte als die Sonne. Und auch Laurelin, der letzte König von Imbral, und viele andere, deren Namen mittlerweile Legenden aus der fernen Vergangenheit sind. Hier wurden sie überwältigt. Recabarra wurde als Geisel genommen und sollte unter Folter in den Verliesen von Den Raven sterben. Laurelins Schwert zerbrach, und der Namenlose persönlich schlug ihm den Kopf ab, streckte ihn hoch in die Luft empor und lachte, während ihm das Blut über das Gesicht spritzte.«
    Maerad schaute zu Cadvan hinüber. Seine Augen wirkten abwesend und traurig, als blicke er in eine lebendige Erinnerung. Während er weitersprach, regten sich in Maerad Gedanken aus ihrer Kindheit, flüchtig wie Rauch.
    »Der Usk war damals ein mächtiger Strom, Findol mit Namen, berühmt für die Reinheit und Schönheit seines Wassers; in den Liedern heißt es, der Fluss strömte tagelang rot und wurde von aufgedunsenen Leichnamen verstopft, die das Wasser derart besudelten, dass niemand es trinken konnte. Danach wurde er in Usk umbenannt, was in der Sprache Imbrals >Trauer< bedeutet. All die großen Städte von Imbral und Lirion wurden dem Erdboden gleichgemacht, ihre Bewohner hingemetzelt. Die Zitadelle von Afinnil wurde geschleift, ihre Macht gebrochen, und mittlerweile ist sogar vergessen, wo genau sie sich einst befand. In der Großen Stille, die auf den Sieg des Namenlosen folgte, einer Dunkelheit, die fast eintausend Jahre währte, wurde jeder verbliebene Hinweis auf die Dhyllin zerstört. Der Namenlose hasste jenes anmutige Volk besonders, weil es sich noch in der Niederlage gegen seine Macht auflehnte und Mut bewahrte. Und nun erklingen ihre Stimmen nie mehr in Annar, und ihre Städte sind so vergessen, als hätte es sie nie gegeben. Sie sind wie ein schöner Traum, an den die Barden sich erinnern, aber sonst so gut wie niemand. Wie das Land verheert wurde, weiß ich nicht. Jedenfalls wächst hier seit fast zweitausend Jahren so gut wie nichts mehr. Und obwohl das Böse bezwungen wurde, als Maninae vor neunhundert Jahren den Namenlosen vertrieb und dessen Thron zerschmetterte, wird es noch viele Lebzeiten dauern, bis die Erde wieder grün und heil ist.«
    Cadvan verstummte, und Maerad, gefangen im Kummer der Geschichte, verharrte eine Weile schweigend. Als ob ihr Geist die Bilder in Cadvans Kopf widerspiegelte, zogen vor ihrem inneren Augen Eindrücke einer einst herrlichen Stadt vorbei - die Mauern rauchende Ruinen, die Türme eingestürzt, ringsum die schauerlichen Beweise eines gewaltigen Gemetzels. Sie hätte nicht für möglich gehalten, dass die Landschaft noch bedrückender als zuvor wirken könnte; doch die Erinnerung an all das, was einst hier erblüht war, ließ sie umso leerer erscheinen. Abermals vermeinte Maerad die Geräusche leiser, schluchzender Stimmen zu hören und schauderte.
    »Waren Andomian und Beruldh Angehörige des Volkes der Dhyllin?«, fragte sie schließlich.
    »Ja, sie stammten aus Lirion, wohin sich die Spuren des Hauses Karn zurückverfolgen lassen«, bestätigte Cadvan. »Und ihre Geschichte spielt in einer Zeit vor der Großen Stille, als der Krieg gegen den Namenlosen noch aus einzelnen Geplänkeln und Gefechten bestand. Damals hatte er gerade erst das Reich Indurain verheert und marschierte die Berge entlang, um die Menschen aus dem Schlaf zu reißen und zu erschlagen.« Seine Stimme klang rauer. »Doch selbst da gab es noch manche, die nicht erwarteten, dass er das gesamte südliche Annar und sogar den Aleph

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