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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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auf den Beinen sein«, antwortete er. »Ich musste all meine Heilkraft aufwenden, aber ich konnte zusammenfügen, was in ihm gebrochen war, als wäre er nie verwundet worden. Das ist mehr als ein bloßer Heilzauber. Alles, was ihn jetzt noch plagt, ist Erschöpfung, die eine ausgiebige Ruhepause beseitigen wird.«
    »Aber was hat ihm gefehlt?« Sie sah Nelac an, und dieses beklemmende Gefühl stieg wieder in ihr auf. »Ich wusste nicht, dass er an etwas litt, ich meine, abgesehen davon, dass er unsagbar müde wirkte und Peitschenhiebe erhalten hatte …«
    Aus Nelacs Blick sprach wohlwollendes Verständnis, und Maerad senkte die Augen. Sie fand seine unmittelbare Aufmerksamkeit unbehaglich.
    »Cadvan ist ein Barde mit einem ungewöhnlich starken Willen«, erwiderte er freundlich und lächelte kurz, scheinbar über eine alte Erinnerung. »Wenn er versucht, etwas zu verbergen, ist es nahezu unmöglich festzustellen. Als ihr hier eingetroffen seid, wandelte er an der Schwelle zum Tod. Er wurde von einem bösen Willen niedergestreckt und überwältigt, als er ihm seine ganze Macht entgegensetzte. Für einen Barden ist dies folgenreich; je größer der Barde, umso folgenreicher. Und Cadvan ist ein sehr großer Barde. Obwohl die körperlichen Wunden bereits verheilten, wurde er immer kränker und schwand regelrecht dahin.«
    Maerad saß schweigend da, bestürzt über den Gedanken, dass Cadvan hätte sterben können. Irgendwie hatte sie ihn für unverwundbar gehalten.
    »Ich muss gestehen, dass mich Neugier plagt«, meinte Nelac nach einer Pause. »Wie kommt es, dass ihr nicht alle getötet wurdet? Und wer war dieser Unhold? Es ist viele Jahrhunderte her, seit man in Annar zuletzt von einem Unhold gehört hat.« Ein Zittern durchlief Maerad, als ein lebendiges Bild der unheilvollen Gestalt des Unholds in ihrem Gedächtnis aufflammte.
    »Er sagte, sein Name sei Sardor«, verriet sie.
    »Sardor?« Schlagartig verfinsterten sich Nelacs Züge. »Der wurde vor vielen Generationen angekettet. Einst suchte er die Gebrochenen Zähne in den Höhenzügen von Edinur heim, sein Hügelgrab; aber die Barden haben ihn nach der Stille beseitigt. Zurück blieb nur sein Schatten. Eine dunkle Erinnerung an etwas Böses, aber dennoch nur eine Erinnerung. War er es, der euch angegriffen hat? Früher, in dunklen Zeiten, war er ein mächtiger König. Es sind schlechte Neuigkeiten, dass ein solches Übel wieder durch das Land wandelt.«
    »Ich glaube, damit ist es vorbei«, gab Maerad matt zurück. Mittlerweile zitterten ihre Hände, und ein Tosen schwoll in ihren Ohren an.
    »Ich habe ihn mit einem Feuerblitz getroffen, und er verbrannte und verschwand.« »Du hast ihn mit einem Feuerblitz getroffen ?«, wiederholte Saliman mit Ungläubigkeit in der Stimme. Er schaute zu Nelac, der Maerad mit ernster Miene unter buschigen Brauen hervor musterte.
    Maerad hatte plötzlich das Gefühl, dass sie die Zweifel der Barden nicht mehr ertragen konnte, nicht jetzt und hier, nicht an jenem Abend. Sie faltete die Hände, um sie vom Zittern abzuhalten.
    »Niemand hat es gesehen«, ergänzte sie. »Cadvan war bewusstlos. Von Hem dachte ich, dass er tot sei. Niemand hat es gesehen. Aber ich habe es getan. Ihr könnt mir glauben oder auch nicht.«
    Trotzig schaute sie auf und begegnete Nelacs stetem Blick. Unverwandt starrte sie zurück, ließ sich nicht einschüchtern. Schließlich regte er sich, wandte sich ab und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Zu Maerads Überraschung wirkte er zutiefst traurig.
    »Ich glaube dir«, sagte er.

Kapitel einundzwanzig

Der Rat der Freunde
    Maerad trieb durch die Nebelschwaden eines Traumes. Unsinnige Bilder stiegen vor ihr auf: von einer Zitadelle wie Norloch, jedoch winzig und von Glas umhüllt wie ein Kinderspielzeug; von Bäumen, die auf das Meer zuwanderten; von Hem, der eine übernatürlich große Traubenrebe aß. Plötzlich sog sie im Schlaf scharf die Luft ein ein Untoter tauchte vor ihr auf und streckte die Finger nach ihrem Handgelenk aus. Er erfasste sie, und sie konnte sich weder bewegen noch sprechen. Dann verschwand der Untote, und sie träumte wie vor langer Zeit in Inneil, dass sie wie ein Vogel über das Reich Annar schwebte. In der Ferne berührte die untergehende Sonne die östlichen Berge und die Zinnen einer großen Stadt im Westen, einer Stadt, von der sie nunmehr wusste, dass es sich um Norloch handelte. Der Aleph verlief mitten durch das Land gleich einer Schlange aus geschmolzenem Gold. Wieder

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