Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Nelacs Richtung an.
»Wird Cadvan jetzt wieder gesund?«, fragte Maerad kleinlaut. Sie fühlte sich nach wie vor regelrecht betäubt vor Sorge; warum hatte sie nicht bemerkt, wie krank er tatsächlich gewesen war? Wieder musste sie sich unwillkürlich über Cadvans Willenskraft wundern; trotz seines Zustands hatte er sie den ganzen Weg hierher geführt…
Nelac seufzte. »Ja«, sagte er. »Aber es war beinahe zu spät. Noch ein paar Stunden, und selbst ich hätte ihm vielleicht nicht mehr zu helfen vermocht. Ich musste tief vordringen, um ihn zu heilen. Aber ja, er wird wieder gesund. Für den Rest braucht er lediglich Schlaf.« Er schaute zu Hem und Maerad. »Ich würde sagen, der könnte euch beiden auch nicht schaden. Maerad, ich weiß zwar nicht, was geschehen ist, aber ich sehe schon, dass es eine lange Geschichte sein muss. Lassen wir sie im Augenblick ruhen; wir können uns morgen darüber unterhalten. Wie wäre es mit einem Bad, einem Abendessen und ausgiebigem Schlaf?«
»Ein Bad!« Plötzlich schwappte ein überwältigendes körperliches Verlangen über Maerad zusammen. »Das wäre herrlich! Ich hatte kein Bad mehr seit… seit Inneil.« Es klopfte an der Tür. Herein kam Brin, Nelacs Hausmeister. »Die Zimmer sind vorbereitet, Meister Nelac.«
»Gut!«, rief Nelac aus und erhob sich. »Dann sollst du auf der Stelle dein Bad bekommen, wenn du möchtest, junge Maerad. Und du ebenfalls, Hem.« »Ein Bad?«, sagte Hem und hörte sich erschrocken an. »Was ist ein Bad?« »Oder auch nicht, je nachdem«, meinte Nelac und lächelte freundlich. Er schien Hem äußerst unterhaltsam zu finden. »Es muss ja nicht sein, wenngleich es zweifellos ratsam wäre. Saliman, könntest du die beiden jungen Leute nach oben begleiten? Ich muss mich noch ein Weilchen setzen. Cadvan kommt später nach, wenn er bereit ist.« Maerad holte aus dem Flur ihr Bündel, dann führte Saliman sie über mehrere Treppenfluchten zu den Gästezimmern. Maerad blinzelte, als sie durch die schwach erhellten Gänge lief. Nelacs Haus erwies sich als groß und prunkvoll. Die Decken waren so hoch, dass sie in den Schatten verschwanden und überall prangten an den Stürzen von Türen und Fenstern Runen und Symbole: uralter Zauber, erklärte Saliman ihnen, zum Wohlstand und zur Weisheit derer, die hier verweilten. Die Einrichtung war spärlich, aber erlesen. Häufig sah Maerad das Funkeln von Gold oder bunte Wandbehänge, und manchmal wendeten sie auf einem Treppenabsatz und sahen plötzlich eine Marmorstatue vor sich, die fahl durch die Schatten schimmerte. Sie gelangten an zahlreichen Türen vorbei, durch die sie gemurmelte Unterhaltungen, das Stimmen von Instrumenten oder eine einsame Stimme vernahmen, die Tonleitern übte. Häufig begegneten sie auch anderen auf den Treppen - Nelacs Schülern, wie Maerad annahm, von denen sich einige umdrehten und sie ob ihrer abgerissenen Gewandung anstarrten. Maerad fragte sich, wie viele Menschen hier leben mochten. Allmählich begann sie zu verstehen, was Silvia gemeint hatte, als sie ihr Heim in Inneil als »bescheidenes Haus«, bezeichnete. Allerdings zog sie insgeheim Silvias heimeliges Anwesen diesem Pomp vor, den sie als kalt und düster empfand.
»Also, Hem von Pellinor oder Cai von Pellinor… was ist nun eigentlich dein richtiger Name?«, fragte Saliman unterwegs.
»Hem«, gab Hem voll Überzeugung zurück. »Er lautet Hem.«
»Hat Cadvan dich auch gefunden? Was geht hier eigentlich vor sich?« Maerad wusste nicht recht, was sie darauf erwidern sollte, und fragte sich, was Cadvan gewollt hätte. Saliman sah sie an und lachte. »Schon gut, Maerad, du brauchst mir nicht alles zu verraten. Ich werde mich später bei Cadvan danach erkundigen. Ich kann es nur nicht fassen! Zwei aus Pellinor!«
»Und woher kommt Ihr?«, verlangte Hem barsch zu erfahren. »Gewiss nicht aus der Gegend, möchte ich wetten.«
Saliman schien Hem, ebenso unterhaltsam zu finden wie Nelac. »Nein, Hem. Ich stamme aus Turbansk im Süden.«
»Im Süden!« Hems Züge hellten sich vor Begeisterung auf. »Ihr kommt wirklich aus dem Süden?«
Salimans Mundwinkel zuckten. »Und ob. Aus dem Land der Granatäpfel, der Affen und der größten Orangen, größer als dein Kopf!«
Das brachte Hem vorübergehend zum Schweigen. Seine Augen wirkten riesig wie Teller. Ohne weitere Unterhaltung setzten sie den Weg fort, bis sie zu einem breiten Gang gelangten. Saliman öffnete die erste Tür und steckte den Kopf in den Raum dahinter. »Das
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