Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
sowohl die Schwellung als auch die Schmerzen verschwunden waren.
»Es ist weg!«, stieß sie hervor. »Seid Ihr auch noch ein Heiler?«
»Alle Barden sind Heiler«, klärte Cadvan sie auf, der immer noch ihren Fuß hielt. »Du hättest mir das schon früher zeigen sollen.« Er lächelte sie an. Plötzlich fühlte Maerad sich unbehaglich, zog den Fuß jäh zurück und wackelte erleichtert mit den Zehen. »Was geht hier eigentlich vor?«, wollte sie wissen. »Ich meine, es gibt so vieles, was ich nicht verstehe. Vielleicht könnte ich helfen.« Sie blickte unter dem zerzausten Haar hervor zu ihm auf. »Ihr habt gesagt, Ihr wärt verwundet, aber ich kann keine Verletzung an Euch entdecken. Habt Ihr Euch selbst geheilt?«
Cadvan stand auf und blinzelte in die Sonne. »Wir sollten weitergehen«, meinte er. »Ich werde dich zu gegebener Zeit in die Dinge einweihen, Maerad. Ich wurde mit einer geheimen Aufgabe hierhergeschickt und darf dir nicht alles erzählen. Aber ja, ich wurde verwundet, und nein, ich konnte mich nicht selbst heilen. Es ist keine Wunde, die man sehen kann. Ich bin schwächer, als ich sein sollte, und das schutzlos hier in der Wildnis.«
»Aber Ihr könnt mir vertrauen«, sagte Maerad mit aufkeimender Wut. »Und wenn Ihr in Gefahr schwebt, gilt das auch für mich, zumal ich ja mit Euch reise. Also seid Ihr es mir schuldig.«
»Ich bin dir gar nichts schuldig, Maerad.« Cadvan sprach zwar mit ruhiger Stimme, doch Maerad sah das Blitzen in seinen Augen.
»Ohne mich hättet Ihr es nicht aus dem Tal geschafft«, gab sie zu bedenken. »Das habt Ihr selbst gesagt.«
»Genug!«, gebot Cadvan barsch und schnellte mit dem Gesicht auf sie zu. »Maerad, du bist noch ein Kind. Behellige mich nicht mit all diesen Fragen, zumindest nicht jetzt. Wir haben einen weiten Weg vor uns.«
Mit einem Schlag zeigte Maerad sich wutentbrannt. »Und wer seid Ihr?« Es kümmerte sie nicht, dass sie brüllte, obwohl ihre Stimme laut über die verwaiste Landschaft rings um sie hallte. »Ihr taucht in Lumpen aus dem Nichts auf und erwartet von mir, wegen Eures Geredes über Barden und Magie zu glauben, Ihr wärt eine erhabene Persönlichkeit aus dem Westen? Nach allem, was ich weiß, könntet Ihr ebenso gut ein listiger Kesselflicker sein. Und dann sagt Ihr mir, ich sei bloß ein Kind, das sich in die Ecke stellen und ruhig sein soll. Halt die Klappe, Maerad, du wirst es schon früh genug erfahren! Ich bin kein Kind. Ich bin sechzehn Sommer alt!«
»Es gibt wichtigere Dinge als die Eitelkeit eines jungen Mädchens«, entgegnete Cadvan nüchtern. Maerad wurde klar, dass sie mit geballten Fäusten und vor Zorn bebend vor ihm stand. Sie errötete.
»Ich bin kein Kind«, wiederholte sie, allerdings mit weniger Überzeugung, denn plötzlich fühlte sie sich sogar sehr kindisch. Cadvan sah erschöpft aus, aber aus seinen Augen sprach ein eherner Blick. Er wandte sich ab und begann davonzustapfen. Maerad verharrte noch kurz, dann folgte sie ihm, da ihr davor graute, in dieser gespenstischen Stille zurückzubleiben.
Er lief so schnell, dass sie rennen musste, um ihn einzuholen. Als sie zu ihm aufgeschlossen hatte, zog sie jedoch nicht mit ihm gleich, sondern marschierte unmittelbar hinter ihm drein. Sein Zorn war zwar ebenso jäh verpufft, wie er aufgeflammt war, doch sie wollte sich nicht entschuldigen.
Über zwei Stunden gingen sie in störrischem Schweigen weiter. Mittlerweile wärmte ihnen die Sonne die Rücken, und Maerad wurde allmählich müde. Cadvan behielt die forsche Geschwindigkeit bei. Maerad war derlei Wanderungen in keiner Weise gewohnt, auch wenn ihr harte Arbeit keineswegs fremd war. Allerdings war sie zu stolz, um ihn zu bitten, langsamer zu gehen, und so biss sie die Zähne zusammen. Sie begann seinen geraden, aufrechten Rücken zu hassen, der die ganze Zeit erbarmungslos vor ihr blieb. Vermutlich würden sie erst bei Sonnenuntergang anhalten, und bis dahin waren es noch mehrere Stunden. Obendrein bestand durchaus die Möglichkeit, dass Cadvan darauf beharren würde, die Nacht hindurch weiterzuwandern. Maerad hatte bloß einen Tyrannen gegen einen anderen eingetauscht… Vielleicht konnte sie einen eigenen Weg durch die Welt finden, sobald sie diesen Ort erreichten, zu dem sie unterwegs waren - Norloch oder wie immer er heißen mochte -, aber vorerst saß sie bei Cadvan fest. Schweiß rann ihr übers Gesicht. Sie war durstig, und Cadvan hatte den Wasserbeutel.
»Wir kommen gut voran«, meinte Cadvan, als er
Weitere Kostenlose Bücher