Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
Vom Netzwerk:
sich, um auszuprobieren, wie es sich anhörte. Meines Volkes.
    Doch Silvia stand bereits auf. »Leider bleibt mir heute keine Zeit mehr, dich in der Schule herumzuführen«, erklärte sie. »Eigentlich wollte ich dir die Gesangshalle zeigen, die anderen Bardenhäuser und was dir sonst noch gefallen könnte. Aber du solltest dich jetzt waschen. Wir essen bald, allerdings heute Nacht nicht unter uns: Die Barden speisen anlässlich des Willkommensfestes gemeinsam. Das eigentliche Konklave beginnt morgen.«
    Maerad starrte auf ihre Füße hinab, und Silvia ergriff ihre Hände. »Maerad, kein Grund zur Schüchternheit!« Damit küsste Silvia sie auf beide Wangen. »Komm, ich helfe dir beim Aussuchen, was du heute tragen wirst. Dann muss ich mich selbst zurechtmachen. Das Willkommensfest ist immer ein freudiger Anlass, und niemand wird über ernste Dinge reden. Aber falls du müde wirst oder meinst, aus einem anderen Grund lieber gehen zu wollen, sagst du es mir einfach, ja?«
    Maerad nickte. Silvia führte sie zurück in die Küche, wo über dem Feuer Fleisch auf Spießen gedreht wurde. Auf dem Eisenherd dampften und blubberten allerlei Töpfe. Brot wurde aus den Ofen geholt und zum Abkühlen auf saubere Leintücher gelegt. Jede Ecke verströmte einen anderen verführerischen Wohlgeruch, und die Köchinnen wirkten nun allesamt beschäftigter und konzentrierter. Silvia stellte den Teller und das Glas in die Spüle und geleitete Maerad die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer, wo sie aus der Holztruhe ein tiefrotes Kleid hervorkramte, um den Kragen und an den Ärmeln reich mit Goldfaden bestickt, und es auf dem Bett ausbreitete. Maerad betrachtete es verunsichert. »Oh, das ist viel zu prunkvoll für mich«, meinte sie.
    »Aber nein, Maerad. Dies ist ein Festtag! Glaub mir, es wird dafür angemessen sein. Das ist ein wunderschönes Kleid; früher hat es mir gehört. Als ich etwas älter war als du, habe ich es so gerne getragen. Nimm es als Zeichen meiner Freundschaft. Aber zuerst gehst du ins Badezimmer. Ich komme später zurück und helfe dir beim Ankleiden.« Damit drückte sie Maerad den Bademantel in die Hände und eilte den Gang hinab davon.
    Maerad stand an der Tür und sah sich hilflos in der Kammer um. Seit ihren Qualen vorher war aufgeräumt worden: Frische Laken überzogen das Bett, das Feuer war wieder angezündet worden. Ihre Hände sehnten sich nach der Leier, aber als ihr einfiel, dass Silvia zurückkehren und erwarten würde, dass sie bis dahin sauber war, bahnte sie sich den Weg ins Badezimmer. Dort wusch sie sich mit den weichen Lappen und Seife. Dabei dachte sie, dass sie auch nichts gegen ein weiteres Bad einzuwenden gehabt hätte. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, schloss die Tür und setzte sich aufs Bett, um auf Silvia zu warten. Als es ihr zu lange dauerte, ergriff sie ihre Leier, begann zu spielen und summte dazu. Sie ging von einer Weise zur nächsten über, vertiefte dabei die Harmonien und weitete die Spielarten aus. Maerad war bereits völlig in ihrer Musik aufgegangen, als Silvia schließlich an die Tür klopfte. Erschrocken hörte sie auf. »Maerad?«, fragte Silvia.
    »Ja?«
    »Darf ich reinkommen?«
    »Oh ja, selbstverständlich!« Maerad befand sich auf halbem Weg zur Tür, als Silvia eintrat.
    »Das war wunderschön!«, teilte Silvia ihr herzlich mit. »Cadvan hat mir schon erzählt, dass du eine außerordentliche Begabung besitzt. Du wurdest eindeutig von einem Barden unterwiesen. Du musst deine Leier heute Abend unbedingt mitnehmen. Aber, Maerad«, und an der Stelle wurde Silvias Tonfall plötzlich ernst, »du darfst niemandem erzählen, dass sie dhyllisches Gewerk ist. Cadvan wusste es, weil er der uralten Überlieferungen kundig ist, aber nur sehr wenige Barden würden es erkennen, ohne dass man es ihnen sagt. Und solche Dinge hält man am besten geheim. Also«, fuhr sie fort, »sollen wir dich jetzt anziehen? So viel Spaß hatte ich nicht mehr, seit meine eigene Tochter in deinem Alter war.«
    »Ihr habt eine Tochter?«, fragte Maerad ein wenig verblüfft. Silvia sah nicht alt genug aus, um erwachsene Kinder zu haben.
    »Ja. Ich hatte eine.« Mit einem Schlag wirkte Silvias Antlitz verschlossen, als hätte die Frage sie verletzt, und etwas riet Maerad, nicht weiter nachzufragen. Silvia präsentierte sich in vollem Hofstaat. Sie trug ein moosgrünes Kleid, das von einem mit winzigen Perlen bestickten und aufwändigen Blumenmustern verzierten Oberteil in üppigen Falten bis zum Boden verlief.

Weitere Kostenlose Bücher