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Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Hände.
    Hier empfanden sie das Gefühl, beobachtet zu werden, nachgerade als überwältigend; es schien aus dem Stein selbst zu dringen, als wäre etwas zu Bewusstsein erwacht und richtete nun alle Aufmerksamkeit auf sie. Hem schluckte und sandte das magische Licht in die Kammer voraus. Das silbrige Licht erhellte sanft die Wände. Der Raum war” leer; er enthielt nur uralten Staub, die weisen Pilze in den Ecken und die bröckelnden Malereien.
    Langsam traten die Kinder ein, bereit, sofort umzukehren und zu flüchten. Die Stille selbst fühlte sich beunruhigend an; ihreSchritte klangen zu laut. Selbst das Pochen ihrer Herzen wirkte verstärkt. Am gegenüberliegenden Ende erblickten sie eine riesige Wandmalerei einer Kreatur halb Mensch, halb Baum, wie jene, die sie vor ein paar Tagen in der großen Halle und an anderen Orten der Stadt gesehen hatten. »Das ist wieder dieser Baummann«, stellte Zelika flüsternd fest.
    Hem nickte und schluckte schwer. Die Gestalt nahm die gesamte Mauer ein, und im Gegensatz zu den anderen Malereien umgaben sie weder Runen noch andere Bilder. Die Kreatur stand mit gespreizten Armen und leerem Gesichtsausdruck für sich alleine, und ihre schwarz geränderten Augen schienen sie anzustarren.
    »Wir sehen uns nur kurz um«, sagte Hem und löste mühevoll den Blick von dem Baummann. Zelika nickte, dann überprüften ie eilends die Wände, wie sie es in den anderen, kleineren Kammern getan hatten. Sofort spürten sie,dass sie nicht mit dem rücken zu der Gestalt auf demGemälde stehen wollten. Stillschweigend kamen sie überein, dass Hem Wache halten sollte, während Zelika die Wände in Augenschein nahm. Irc hatte eigentlich nicht mitkommen wollen, ebenso wenig jedoch hatte r alleine draußen zurückbleiben wollen, und so klammerte er ich an Hems Schulter und vergrub die Augen in Hems Haar. Sie hielten sich von dem Steintisch so weit wie möglich fern; er bestand aus weißem, geädertem Marmor, war mit einem schwärzlich roten Fleck behaftet, der an uraltes Blut erinnerte, und wirkte insgesamt bedrohlich. Ob ihres Verlangens, den Raum zu verlassen, bedachte Zelika die Wände mit wenig mehr als einem oberflächlichen Blick. Hem musste sich ab und zu umdrehen, um das magische Licht für sie weiterzubewegen. Als er sich beim dritten Mal wieder dem Baummann zuwandte, zuckte er zusammen. Waren dessen Arme höher als noch wenige Augenblicke zuvor? Nein, seine Nerven mussten ihm einen Streich spielen. Er zwang sich, die Gestalt wieder zu beobachten, betrachtete ihre Haltung und versuchte, eine panische Stimme zum Schweigen zu bringen, die ihn bedrängte, die Kammer zu verlassen. Als er das nächste Mal den Blick von der Malerei löste, war er ganz sicher, dass sie sich bewegt hatte. Nun befanden die Arme sich fast auf Schulterhöhe.
    »Zelika …«, setzte er an, die Augen auf die Wandmalerei geheftet.
    »Ja?«
    »Lass uns von hier verschwinden.«
    »Gleich - da ist etwas, glaubst du nicht auch? Dort oben? Kannst du mal das Licht dorthinlenken? Vielleicht wollte Hared, dass wir das finden - es sieht wie ein Tunnel aus.«
    Für Hem hörte es sich an, als spräche Zelika unter Wasser; ihre Stimme klang gedämpft, und ein dröhnendes Geräusch füllte seine Ohren. Mittlerweile starrte er den Baummann an wie ein von einer Schlange gebanntes Kaninchen; den Rest der Kammer nahm er nicht mehr wahr. Mit jedem verstreichenden Lidschlag wirkte die Gestalt echter und weniger wie eine Malerei.
    Der Baumann blinzelte, senkte die Arme an die Seite und trat aus der Wand. Hem spürte, wie ihm ein Schrei in die Kehle stieg, doch wie in einem seiner Albträume stellte er fest, dass er weder sprechen, noch sich bewegen konnte. Leise kam die Gestalt auf ihn zu, den Blick mit dem seinen verschmolzen. Hem hatte noch nie eine so allumfassende Angst verspürt wie in jenem Lidschlag, aber es war nicht die Furcht, dass er verletzt oder getötet werden könnte. Viel eher grenzte sie an Ehrfurcht: Es war jene Art Gefühl, die man am Rand eines gewaltigen Abgrunds haben mochte, wenn man an dessen Rand wandelte und jeden Augenblick in die Tiefe stürzen konnte. Der Baummann ragte mehr als doppelt so hoch wie Hem auf. Seine Augen waren gelb wie die einer Eule, ohne Weiß um die Netzhaut und geteilt von einer lotrechten Pupille. Gleich einem Geweih wuchsen aus seinem Kopf dicht mit dunklen, schmalen Blättern bewachsene Aste, kleinere Zweige sprossen aus den Sehnen seiner Arme und aus den Schultern. Das Gesicht war bleich, so

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