Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
masken-artigen Fratze des Untoten nicht zusammenzuzucken. Schmeichlerisch lächelte er durch seine Tränen hindurch. Die Frau, die Bared sah, war freundlich, sie würde ihm helfen, sie würde ihm zu essen geben …
»Ich war in Inil-Han-Atar«, erklärte Hem. Er erinnerte sich an das Gemetzel in jenem Dorf und ließ ein Schluchzen in sich aufwallen. »Alles ist weg - es ist niemand übrig, und es gibt dort keine Lebensmittel mehr. Ich habe Käfer gegessen …« Schniefend wischte er sich mit dem Handrücken die Nase ab.
»Und wie lautet dein Name?« Zum ersten Mal ergriff der Untote das Wort. Hem wusste, dass Bared einen milderen Tonfall gehört hätte als jene hohle, geschlechtslose Stimme, die er wahrnahm, und so stellte er sich ihr vor. Beflissen beugte er sich vor wie ein geprügelter Hund, der sich nach einem freundlichen Wort sehnt.
»Bared, Herrin.« Abermals schniefte er. »Mein Name ist Bared.«
»Und was hast du in Inil-Han-Atar gemacht, Bared?«
»Herrin, ich habe mit den Ziegen geholfen. Tanshun sagte, ich tauge nichts, aber ich war gut mit ihnen, habe mich um sie gekümmert, aber jetzt sind alle tot…« Seine Züge verzerrten sich, und er begann wieder zu heulen, wobei er über jede Hoffnung hinaus hoffte, dass keines der beiden Wesen vor ihm mit Inil-Han-Atar vertraut sein würde. Ein eiskalter Schauder kroch ihm über den Rücken, als er spürte, wie der Geist des Untoten den seinen abtastete. Es fühlte sich widerwärtig an, als liebkosten ihn schleimige Greifarme mit abscheulicher Zärtlichkeit. Doch Hem war darauf vorbereitet: Dies war kein Seelenblick, sondern jene Geistberührung, mittels der Barden sich bisweilen untereinander verständigten und die nur seine bewussten Gefühle offenbaren würde. Er hatte keine Ahnung, ob Bared wahrnehmen würde, dass ihn ein Untoter auf diese Weise untersuchte, aber er glaubte schon, dass er zumindest irgendetwas spüren würde. Zum Glück hatte Hems Übelkeit mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass sie alles beherrschte; so brauchte er den Großteil dessen, was Bared fühlen würde, nicht vorzutäuschen. Er war tatsächlich verwirrt, verängstigt und allein.
Der Untote zog seine Aufmerksamkeit zurück und wandte sich der Frau zu. »Er ist ein Einfaltspinsel«, sagte er. »Ein Welpe im Fell eines Jährlings. Das sind häufig die Besten.«
Die Frau nickte. »Kein Verhör?«
»Kein Verhör«, bestätigte der Untote mit einem Hauch von Abscheu; Hems Eingeweide verwandelten sich vor Erleichterung in Brei. »Gib ihm etwas zu essen. Ich frage mich, weshalb du mich mit einer solchen Kleinigkeit belästigst.« Ein Anflug von Furcht huschte über die Züge der Frau. »Verzeiht«, sagte sie. »Ich wollte nur sichergehen.«
Der Untote nickte und verließ den Raum. Die Frau holte tief Luft und drehte sich Hem zu, der sie flehentlich anstarrte und gierig an Essen dachte. »Komm mit«, forderte sie ihn auf.
Sie brachte Hem in eine riesige, schäbige Küche und schöpfte ihm kalten Dohl aus einem rostigen Kessel. Mit sich windenden Eingeweiden nahm Hem die Schale entgegen; Essen war das Letzte, wonach ihm in jenem Augenblick zu Mute war.
»Iss«, befahl die Frau und deutete auf eine Bank. »Ich suche dir einen Platz für die Nacht. Du bist jetzt einer der Köter.« In ihrer Stimme schwang kein Willkommen mit, sie gab lediglich nüchtern eine Tatsache bekannt. »Morgen Früh wirst du einem Block zugewiesen.«
Mit vorgetäuschtem Heißhunger schaufelte Hem sich Dohl in den Mund, bis die Frau zu seiner unaussprechlichen Erleichterung den Raum verließ. Sobald er sie in sicherer Entfernung wähnte, leerte er den Dohl hastig zurück in den Kessel und erbrach das bisschen, das er gegessen hatte, auf den Boden. Er scharrte es unter die Bank; die Küche war so verdreckt, er bezweifelte, dass es jemand bemerken würde. Als er fertig war, setzte er sich niedergeschlagen hin und wartete auf die Rückkehr der Frau. Er war zu müde, um auch nur ein Aufflackern von Triumph zu verspüren. Aber er hatte es geschafft. Er hatte sich in das Lager eingeschlichen.
Sjug’hakar Im
Auch wenn es sich um ein grob angelegtes und vorübergehendes Lager handelte, es besaß einen Namen: Sjug’hakar Im. Hem erfuhr erst später, was er bedeutete, als die seltsame, schnalzende Sprache von Den Raven allmählich begann, sich schwerfällig zu Worten und dann zu kurzen Sätzen zu formen; und als er es herausfand, schien es das Rätselraten kaum der Mühe wert. Es bedeutete in etwa
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