Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
zurückkehrte. »Jetzt bist du ein echter Bluthund«, sagte er. Hem fand erst später heraus, was er damit meinte. Die Kindsoldaten bezeichneten sich immer als Bluthunde, soweit Hem es abzuschätzen vermochte, handelte es sich um keine Bezeichnung, die von den Untoten stammte, sondern um eine, die sich die Kinder selbst ausgedacht hatten. Plünderer zeigte ihm eine Strohpritsche mit einer Decke, die von nun an Hem gehörte. In der Hütte war es stickig und beengt, aber niemand drängte zur Tür hinaus. Stattdessen kauerte jeder Bluthund auf seiner Pritsche und ging verschiedenen, unergründlichen Beschäftigungen nach. Jungen von Mädchen zu unterscheiden, gestaltete sich schwierig; in ihren einheitlichen Aufmachungen und mit dem grob gestutzten, kurzen Haar wirkten sie alle eigenartig geschlechtslos.
Allerdings stellten sie nicht die ausdruckslosen Mienen zur Schau, die Hem so sehr erschreckt hatten, als er sie auf ihrer Mission in die Glandugir-Hügel gesehen hatte. Stattdessen plauderten und zankten sie wie alle Kinder ihres Alters und frönten dem üblichen Kämpfen und Wetteifern untereinander. Nur mit ihren Augen schien etwas nicht in Ordnung zu sein. Ihnen haftete etwas Glasiges an, das Hem bewog, sich in Schwertschwingers Schweigsamkeit zu hüllen, statt sich, wie er es vorgehabt hatte, zu unterhalten, um Auskünfte zu erlangen. Wenn andere sich ihm näherten, um mit ihm zu reden, starrte er sie verständnislos, mit offenem, leicht sabberndem Mund an, woraufhin sie mit den Schultern zuckten, abschätzige Blicke tauschten und ihn zufriedenließen. Wie Hem aus Gesprächen erfuhr, die er belauschte, war dies ein Ruhetag, weshalb auf dem Hof keine Übungen stattfanden. Die Bluthunde vertrieben sich die Zeit nach Belieben; manche lagen auf dem Rücken, starrten an die Decke und steuerten gelegentlich unflätige Bemerkungen zum unablässigen Geplauder bei, das durch den Raum trieb; andere schärften ihre Messer oder Schwerter oder zählten Dinge, die sie in groben, aus Leder-und Stofffetzen zusammengeflicktenBeuteln aufbewahrten. Sie tratschten über Zwischenfälle bei der Ausbildung, verhöhnten das Können anderer Blöcke oder sprachen mit einer seltsamen Mischung aus Prahlerei und Furcht über ihre Befehlshaber.
Nach einer Weile begann Hem, eine gewaltige Langeweile zu verspüren, die ihn zu zerdrücken drohte. Doch es war mehr als das: Es ähnelte einer tätigen Kraft, die seinen Körper auf die Pritsche presste, sodass seine Knochen sich wie Blei anfühlten; es fühlte sich an wie eine überwältigende Verzweiflung. In der Hütte befanden sich etwa dreißig Kinder, die ständig wie Affen schnatterten, doch keines davon sagte wirklich etwas. Ein Kind äußerte eine Bemerkung, ein anderes antwortete darauf, doch irgendwie schien es, als ob niemand hörte, was der andere von sich gab, oder als ob es vergessen wurde, sobald die Worte in der Luft verhallten. Es war, als verursachten sie bloß aus Gewohnheit Geräusche, um die Stille zu vertreiben, die andernfalls in der Hütte geherrscht hätte.
Hem lauschte aufmerksam auf etwas, das ihm einen Hinweis auf Zelika geben konnte; irgendwelche Äußerungen über den Streifzug in die Glandugir-Hügel vor fünf Tagen oder über eine Gefangene. Während seine Langeweile sich nach und nach in schier unerträgliche Abscheu verwandelte, spürte er, wie seine Lider sich unwillkürlich schlossen. Verbissen kämpfte er, um wach zu bleiben, weil er fürchtete, er könnte eine beiläufige Bemerkung, einen unscheinbaren Satz verpassen, irgendetwas, das ihm verriete, wo Zelika sich aufhielt. Vielleicht hatte die üble Hexerei dieses Ortes sie bereits unterjocht; womöglich befand sie sich in einem anderen Block und tauschte unflätige Witze mit anderen verhexten Bluthunden aus. Aber er hörte nichts; nur eine endlose Litanei der immer gleichen Dinge, die fortwährend wiederholt wurden; dieselben Scherze, dasselbe hohle Gelächter, dieselbe Angeberei, dieselben Flüche. Bei Sonnenuntergang wurdeein Gong geschlagen, dessen harsches Geräusch in der dunkler werdenden Luft hing. Die Bluthunde trudelten zur Hütte hinaus und bedeuteten Hem, ihnen zu folgen. Sie stellten sich in geordneten Linien zu je dreißig Kindern auf. Reihe umReihe strömte aus den Hütten hervor und blieb auf der aufgewühlten roten Erde des Ausbildungsgeländes stehen. Alle anderen schienen zu wissen, wohin sie gehen mussten. Hem folgte einfach seinem Block und bezog Aufstellung, wo er ein Plätzchen fand. Ein
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