Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
handelte, die auf die Südtür der Kammer zurannte. Saliman? Er schluckte und überlegte, ob er das Schwert ziehen sollte. Soron wirkte ebenso unsicher. Nicht zu wissen, wer oder was sich ihnen näherte, war überaus zermürbend. Mit den Armen schlaff an der Seite erhob sich Hem, hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Angst. Die Schritte kamen näher, hallten unnatürlich laut durch den menschenleeren Palast, aber sie schienen sich des Weges sicher; demzufolge konnte es gewiss kein Feind sein, sonst hätte er sich verirrt…
Schließlich stürzte eine Gestalt in den Raum. Trotz der Dunkelheit wusste Hem sofort, dass es sich um Saliman handelte; erleichtert schrie er auf. Der Barde hielt an der Tür inne, spähte in die Kammer und ging auf die Gruppe zu. Als er sich ihnen näherte, hob Soron kurz die Lampe an und entließ ein wenig Licht in den Raum; darob sah Hem entsetzt, dass Saliman über und über mit Blut bedeckt schien. Sein Gesicht war damit bespritzt, die Rüstung verschmiert und geschwärzt.
»Bist du verletzt?«, fragte er und rannte auf Saliman zu.
»Nicht besonders«, antwortete Saliman, und seine Zähne blitzten in der Düsternis auf, als er kurz lächelte. »Ich bin froh, dich zu sehen, Hem. Sind alle hier?« »Palindi ist nicht gekommen. Jerika auch nicht«, erwiderte Soron, der damit Barden nannte, die Hem nur vom Sehen kannte.
»Palindi ist tot«, erklärte Saliman knapp. »Jerika hat unten am Hafen gekämpft; mittlerweile könnte sie es nicht mehr an den Märkten vorbei schaffen, sie stehen alle in Flammen. Ich selbst habe es gerade noch rechtzeitig geschafft. Ich bete darum, dass sie sich auf einem der abfahrenden Schiffe befindet.« Er taumelte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Soron, wir haben sehr wenig Zeit. Kannst du mit der Öffnung beginnen? Ich muss mich erst sammeln. Danach helfe ich dir, wenn es nötig ist.« Soron, dessen Züge sich angesichts Salimans Neuigkeiten vor Kummer verzogen hatten, nickte und holte tief Luft. Neugierig beobachtete Zelika, wie er seine Macht sammelte und vor Magie zu schimmern begann. Mittlerweile drang der grässliche Gefechtslärm lauter zu ihnen; jäh schaute sie auf wie eine jagende Wölfin, die Gefahr wittert, dann bewegte sie sich zur Westtür, um diese zu bewachen. Hem besann sich, dass auch er ein Schwert trug. Zögerlich bezog er Stellung an der Tür neben Zelika, zog die Waffe und starrte in die Düsternis jenseits des Eingangs; seine Nerven flatterten vor Anspannung.
Soron stimmte mit tiefer, melodischer Stimme einen Sprechgesang in der Hohen Sprache an; darob begann der schwarze Stein in der Mitte des Fußbodens zu leuchten. Hem hatte Soron nie wirklich als Barden betrachtet. Er kannte ihn aus der Küche, wo er die besten Kümmelkuchen in ganz Suderain zauberte. Er war unbeirrbar, zuverlässig und freundlich, völlig anders als der söldnerhafte Saliman. Nun jedoch wurde Hem daran erinnert, dass Soron weit mehr war als ein Koch; die Macht, die von dem Barden ausging, richtete ihm die Nackenhaare auf.
Hem hoffte, dass der Bann, wofür er auch gut sein mochte, nicht zu lange dauern würde. Mittlerweile befanden sich eindeutig Menschen im Palast, und aus der Richtung des Hilan-Tores, das sich nicht weit von ihnen entfernt befand, hörte er Gefechtslärm, Schreie und die Geräusch von Dingen, die zerschmettert wurden. Noch kam niemand in ihre Richtung, doch es war nur eine Frage der Zeit… Saliman begann, mit Soron zu singen, ihre Macht miteinander zu verschmelzen. Fast unverzüglich erstrahlte der Stein grell wie ein Blitz; zurück blieb ein gleißendes Bild, das Hemkurzzeitig blendete. Dann kehrte wieder Dunkelheit ein. Taumelnd erhob sich Saliman.
»Hem, Zelika, hierher, rasch! Das hier wird nicht lange anhalten.« Sie rannten zur Mitte des Raumes. Wo sich der polierte Stein befunden hatte, klaffte nun ein tiefes Loch im Boden. Soron war bereits hinabgesprungen; sie konnten ihn unten mit der Lampe sehen, die er teilweise abgedeckt hatte. Es ging ziemlich tief hinab, wohl an die drei Spannen. Hem zögerte einen Lidschlag lang; Saliman stieß ein scharfes »Spring! Jetzt!« hervor und schubste ihn hinab. Der Junge landete heftig; ein schmerzlicher Ruck durchlief seine Beine. Irc war erschrocken von seiner Schulter gehopst, da er, wie alle Vögel, beengte Räume nicht mochte, doch Saliman rief so eindringlich Runter da! Folg dem Jungen!, dass er, statt Aufhebens zu machen, wie er es unter gewöhnlichen Umständen getan hätte,
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