Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
weil Barden so lange leben. Ich habe mal einen Barden kennen gelernt, der mir davon erzählt hat - er war sehr alt, seine Frau war seit zweihundert Jahren tot, und er vermisste sie immer noch … Wahrscheinlich hat Saliman deshalb nicht mit dir darüber geredet. Ganz abgesehen davon, dass… Naja, niemand von uns weiß, ob wir in einer Woche noch leben …«
»Ich wünschte dennoch, er würde mich so ansehen, wie Cadvan dich ansieht.« Hekibel unterzog ihre Stiefel einem prüfenden Blick, bevor sie einen nach dem anderen behutsam nebeneinander ins Gras legte. »Tja, Hunde heulen den Mond an …«
Maerad blinzelte. »Was meinst du damit, wie Cadvan mich ansieht?« »Wenn ich in Salimans Blick nur annähernd so viel Leidenschaft sähe, würde ich mir Hochzeitsgewänder kaufen«, gab Hekibel zurück. »Wenn ich mal davon ausgehe, dass es nach alldem noch Hochzeiten geben wird.«
Maerad klappte der Mund auf. Eine lange Weile war sie zu verdutzt, um etwas hervorzubringen. »Leidenschaft?«, stieß sie letztlich hervor. »Cadvan ist mir ein sehr teurer - mein bester -Freund, aber ich glaube nicht…«
Hekibel bedachte sie mit einem Seitenblick. »Soll das heißen, du hast es gar nicht bemerkt? Wenn das bloße Freundschaft ist, meine Liebe, dann habe ich in meinem ganzen Leben noch keinen verliebten Mann gesehen. Und ich versichere dir, das habe ich. Ich kann dir sagen, wäre mein Herz nicht bereits vergeben, könnte ich selbst in höchster Gefahr schweben, mich selbst in Cadvan zu verlieben. Ist dir nie aufgefallen, wie gutaussehend er ist?«
Maerad schwieg eine Zeit lang und versuchte, ihre versprengten Gedanken zu sammeln. Sie fühlte sich so benommen, als hätte Hekibel ihr mitten ins Gesicht geschlagen. Ihre jüngsten Unterhaltungen mit Cadvan gingen ihr durch den Kopf. Es stimmte, dass sich seit ihrer Wiederbegegnung in Pellinor etwas an Cadvans Verhalten verändert hatte. Allerdings hatte sie das als Ausdruck eines tieferen Verständnisses, einer tieferen Freundschaft zwischen ihnen betrachtet; hingegen war ihr nie in den Sinn gekommen, dass er sich in sie verliebt haben könnte. Hekibel musterte Maerads Züge mit unergründlicher Miene. »Liegt es daran, dass du das Gefühl nicht erwiderst?«, fragte sie schließlich. »Das kann unangenehm sein, besonders, wenn man denjenigen an sich mag …«
»Ich - ich weiß es nicht«, stieß Maerad flüsternd hervor. »Ich habe nicht darüber nachgedacht.« Aber entsprach das auch der Wahrheit? Vielleicht hatte sie das sehr wohl getan, es jedoch stets in den hintersten Winkel ihres Verstandes gedrängt. Es fiel ihr leicht einzugestehen, dass sie Dernhil geliebt hatte, weil er tot war und nichts mehr von ihr verlangte. Sie hatte immer gewusst, dass der Winterkönig sie nicht liebte, zumindest nicht auf eine Weise, die sie auch nur ansatzweise begreifen konnte, wodurch es ihr noch leichter fiel, sich ihre Gefühle ihm gegenüber einzugestehen.
Aber mit Cadvan … verhielt es sich anders… Sie stellte fest, dass sie kaum atmen konnte, als schnürte Grauen ihr die Kehle zu; doch vielleicht war es gar kein Grauen. Darunter empfand sie etwas völlig anderes; bei der Vorstellung, dass Cadvan sie lieben könnte, ließ ein warmer Anflug von Erregung ihr Herz flattern wie einen betrunkenen Vogel. Vielleicht war sie auf eine Art, die ihr gar nicht bewusst gewesen war, ehrlich gewesen, als sie zu Cadvan gemeint hatte, sie verstünde nichts von Liebe.
Hekibel beobachtete sie aufmerksam. »Ich habe dich verstört«, sagte sie. »Das tut mir leid, Maerad. Es war dumm von mir. Ich meinte nur, dass du Cadvan sehr am Herzen liegst, und es ist unübersehbar. Und, naja, wahrscheinlich ist es töricht, wie ein leichtsinniges Mädchen über Liebe zu reden, während wir uns mitten in diesem entsetzlichen Krieg befinden, die Schwarze Armee durch Annar marschiert, Untote auf unserem Pfad lauern und den Menschen in ganz Edil-Amarandh wer weiß welche Schrecken widerfahren.« Ihre Augen wirkten dunkel und ernst, dann jedoch lächelte sie. »Es fällt mir nur schwer, an den Krieg zu denken, wenn Saliman in meiner Nähe ist.«
»Nein, ich bin nicht verstört. Ich fühle mich nur ein wenig-verwirrt.« Maerad blickte auf ihre Hände hinab. »Ich glaube, ich weiß nicht sehr viel über Liebe. Zumindest über diese Art von Liebe. Und wenn ich darüber nachdenke, ängstigt es mich. Ich fürchte, ich bin nicht besonders tapfer. Ich sollte mutiger sein.« Sie setzte ein schiefes Lächeln auf.
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