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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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dass er mit gezogenem Schwert hoch zu Ross nur ein Hindernis verkörperte. Der Junge hielt die Klinge aus dem Weg, drehte sich auf dem Bauch herum, glitt von Keru, hielt die Zügel fest und flüsterte ihr zu, versuchte, die Stute zu beruhigen, während er sich zugleich bemühte, den Überblick über das Geschehen zu bewahren. Maerad konnte er zunächst nicht entdecken; sie saß nicht mehr auf Darsor. Dann erblickte er sie an der niedrigen Brüstung kauernd, die entlang der Brücke verlief. Saliman und Cadvan hatten die Pferde so gewendet, dass jeder von ihnen einem der Untoten entgegenblickte. Beide Barden leuchteten vor Magie, die Mienen verkniffen, die Augen hart und tödlich. Cadvan hielt einen schwarzen Anhänger hoch, der Hems Aufmerksamkeit fesselte: Er wusste nicht, worum es sich handelte, aber es verursachte ihm Unbehagen, den Gegenstand in Cadvans Händen zu sehen. Während er den Barden beobachtete, krümmte sich ein Lichtblitz über seinen Kopf hinweg, und die Brücke wurde kurz von einem grellen weißen Licht erhellt, das bleigraue Schatten über ihre Gesichter warf. Hem hatte keine Ahnung, ob das Licht von Saliman oder Cadvan stammte; er konnte nicht einmal dessen Richtung bestimmen. Der metallische Geruch von Hexerei erfüllte die Luft; er musste würgen und zog sich gegen die Brüstung der Brücke zurück, wobei er versuchte, Keru festzuhalten, die mittlerweile in Panik geraten war. Sie bäumte sich auf und zog von ihm weg, rollte mit den Augen und hatte die Ohren flach an den Kopf angelegt. Hekibel kämpfte in der Nähe mit Usha und versuchte ebenfalls, die Stute davon abzuhalten, Reißaus zu nehmen.
    Abermals wurde Hexerei gegen sie geschleudert, wenngleich sie wieder nicht davon getroffen wurden. Ihre Schilde hielten, doch Hem erkannte, dass noch etwas anderes im Spiel war - er hatte den Eindruck, dass die Hexerei der Untoten sie nicht verfehlte, sondern von irgendetwas rings um sie aufgehalten wurde. Er spürte, wie sich seine Haare aufrichteten, als würde gleich ein Blitz einschlagen, und duckte sich instinktiv. Ein weiterer Magieblitz zuckte über die Brücke; zumindest glaubte er, dass es sich um Magie handelte, da ein weißes Feuer aufleuchtete, doch es hinterließ den Geruch verbrannten Metalls in der Luft. Ein kurzer Schrei ertönte, der ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ; dann setzte sogleich wieder Stille ein. Hem starrte in die Dunkelheit vor ihm, dann rasch hinter sich zum näheren Ende der Brücke. Die kalte, abscheuliche Gegenwart der Untoten war völlig verschwunden. Wo der nähere Untote sich befunden hatte, erblickte er einen kleinen dunklen Haufen. Hem wurde übel, und er wandte die Augen ab; er wusste, dass es sich um einen Haufen fleischloser Gebeine handelte.
    Er atmete aus, und die Anspannung entwich aus seinem Körper, ließ ihn schwindlig zurück. Die Nacht fühlte sich wieder rein an. Der Fluss strömte rauschend unter ihnen dahin, der Regen fiel auf die nasse Straße, und abgesehen vom Stampfen und Schnauben der Pferde und ihrem eigenen Atem, hörten sie keine anderen Geräusche. Es schien kaum Zeit vergangen zu sein, seit sie die Brücke betreten hatten: Das Geplänkel war rasch vorüber gewesen. »Ich glaube, mehr sind es nicht«, sagte Cadvan. Er stieg ab und beruhigte die Pferde, steckte das Schwert jedoch nicht zurück in die Scheide. »Sie waren niedere Wachen, sonst nichts; alles andere als mächtige Hexer. Dennoch zeigt es, dass diese Brücke als wichtig genug erachtet wird, dass der Hauptmann Untote statt gewöhnlicher Soldaten an ihr postiert hat. Ich würde nur allzu gern wissen, wie sie sich verborgen haben; das bereitet mir Unbehagen. Es könnte sein, dass in diesem Augenblick ein Bote zu seinem Herrn eilt und ihm von diesem Gefecht berichtet…«
    »Ja, das ist durchaus möglich«, pflichtete Saliman ihm bei. Er sah sich um und schnupperte die Nachtluft. »Maerad, spürst du Untote?«
    Maerad zuckte ob der unmittelbaren Anrede zusammen. Sie löste den Blick vom Fluss und sah Saliman in die Augen; was er darin erkannte, ließ ihn erschrecken. Ihre Züge waren vor Grauen und Kummer verzerrt, und ihre Augen schienen einen Abgrund solcher Finsternis widerzuspiegeln, dass er dessen Tiefe nicht zu erahnen vermochte.
    Hem setzte sich in ihre Richtung in Bewegung, wollte sie trösten, aber sie schüttelte den Kopf, ließ ihn innehalten. Dann schluckte sie. Als sie sprach, ertönte ihre Stimme heiser.
    »Hier sind keine Untoten«, verkündete sie. »Nur Tod.

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