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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Überall ist Tod.« Abermals bedeckte sie mit den Händen die Augen. »Ich will nicht mehr sehen. Ich kann es nicht ertragen …«
    Cadvan legte ihr den Arm um die Schulter, und sie lehnte sich am ganzen Leib zitternd an ihn. »Ich will nicht mehr sehen«, wiederholte sie. »Bitte, helft mir, ich kann es nicht länger ertragen …«
    Cadvan und Saliman blickten sich an. Beide hatten offenkundig keine Ahnung, was sie tun sollten. Hekibel aber stieg ab, ging auf Maerad zu und löste dabei ein rotes Seidentuch, das sie um den Hals trug. Sie hielt es Maerad entgegen. »Wird das helfen?«, fragte sie.
    Maerad schluckte erneut und nickte, und Hekibel band ihr das Tuch behutsam über die Augen. Die rote Seide sah wie Blut aus. Der Anblick seiner Schwester mit solchermaßen verbundenen Augen trieb Hem einen Stachel aus Mitgefühl und trauriger Wut ins Herz. Er verstand zwar nicht, was mit ihr geschah, doch er glaubte, noch nie jemanden gesehen zu haben, der solche Pein durchlitt. Sie verließen den Schauplatz des Gefechts, so rasch sie konnten, und folgten der westwärts verlaufenden Bardenstraße, um schneller voranzukommen. Es hörte zu regnen auf, und der Himmel begann aufzuklaren. Nach einer Weile kam der Mond hervor und tauchte die Steinstraße in sein kaltes Licht. Die Glieder der Reisenden waren taub vor Kälte und Müdigkeit. Ihre nassen Mäntel rieben an der Haut, doch sie wagten nicht, anzuhalten und ein Feuer zu entfachen, um sich zu wärmen. Etwa eine Wegstunde von der Brücke entfernt schwenkte die Bardenstraße nach Norden. Dort zweigten sie davon ab und erklommen die Westseite des Tales. Als sie die Kuppe des Geländerückens erreichten, erfasste sie ein gnadenloser Wind mit grausamer Gewalt. Mit einer Kälte, die das Herz regelrecht abtötete, schien er ihnen bis ins Mark zu dringen.
    Kurz hielten die Reisenden an und blickten über das kahle Moor, das im Mondlicht unter ihnen schimmerte.
    »Das Katenmoor«, sagte Cadvan. »Als ich diese Ode das letzte Mal durchquert habe, hoffte ich, nie Anlass zu haben, hierher zurückzukehren.«
    Saliman starrte mit einem unlesbaren Ausdruck im Gesicht über das kahle Land. »Ich glaube, ich habe noch nie etwas Trostloseres gesehen«, meinte er schließlich. »Gegen die Dhyllin hegte der Namenlose einen besonderen Hass«, erwiderte Cadvan. »Und so hat sich dieser Hass geäußert.« Er setzte ab. »Ich habe keine Ahnung, in welche Richtung wir sollen. Vielleicht wäre es am besten, in der Nähe des Flusses zu bleiben…«
    »Nein«, fiel Hem ihm unerwartet ins Wort. »Es ist nördlich vorn hier, dort entlang.« Er deutete über das Moor.
    Saliman sah Hem überrascht an, schwieg aber.
    »Dann also nach Norden«, sagte Cadvan und ergriff seine Zügel. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin halb tot vor Erschöpfung. Ich denke, viel weiter können wir heute Nacht nicht mehr reiten.«
    Abseits des Flusses und dessen verkümmerter Weiden gab es keinerlei Schutz vor dem Wind. Wenigstens, so dachte Hekibel, dankbar für selbst die kleinsten Gnaden, regnete es nicht. An diesem Ort spukte es - sie war überzeugt davon, schluchzende Stimmen im Wind zu hören, und vermeinte flüchtige Schemen am Rand ihres Sichtfelds zu erkennen, die verschwanden, sobald sie sich danach umdrehte. Hekibel rückte näher zu Saliman; selbst in dieser trostlosen Nacht schien er Trost auszustrahlen.
    Auch Hem nahm die Spukerscheinungen wahr, allerdings beunruhigten sie ihn weniger als die Erdübelkeit, die in ihm wuchs, je tiefer sie ins Katenmoor vordrangen. Die Erde selbst war verstümmelt. Er spürte es am ganzen Leib: Es war ein Schmerz, der ihm durch die Knochen fuhr und in seinem Bauch aufbrach, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen. Krampfhaft bemühte er sich, die Empfindung zu unterdrücken; immerhin war es in den Hügeln von Glandugir noch schlimmer gewesen, und auch das hatte er überlebt…
    Bald danach hielten sie an und kauerten sich Schutz suchend gegen eine der niedrigen steinigen Erhebungen, die das kahle Moor durchsetzten. Sie waren zu erschöpft und fürchteten sich zu sehr vor Verfolgung, um ein Feuer anzuzünden. Hem war so müde, dass er trotz der Kälte und seiner Übelkeit fast sofort einschlief. Im Traum wanderte er dieselbe lange Straße hinab, auf der er Saliman in dessen Krankheit gefolgt war, eine Straße, die in endloser Dunkelheit leicht schimmerte; er suchte nach jemandem, konnte sich jedoch nicht erinnern, nach wem, nur dass es sehr wichtig war, sie zu

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