Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
gesagt, dass die Schutzbanne nicht reichen würden …« »In Tinagel haben sie sich durchaus bewährt«, gab Malgorn scharf zurück. Ihr Wortwechsel vermittelte das Gefühl eines alten Streits. »Außerdem ist das alles, was wir tun können. Wir sind so schon am Rande unserer Mittel.«
»Ja, das sind wir.« Indik blickte verkniffen drein. »Allerdings ist dies ein anderer Angriff als in Tinagel, Malgorn. Das Wetterwirken mutet übel an. Dies hier ist kein bloßer Sturm, obwohl allein das in Tinagel schon schlimm genug war. Hier liegt Hexerei in der Luft. Und ich spüre, dass etwas naht, was ich zuvor nicht gefühlt habe. Mir gefällt das nicht.«
Maerad blinzelte. Indik hatte recht: Auch sie nahm eine Gegenwart wahr, eine Bedrohung, die sie zuvor nur unterschwellig bemerkt hatte, die jedoch mit jedem verstreichenden Augenblick stärker wurde… und sich beunruhigend vertraut anfühlte …
»Ich kenne diese Präsenz«, meldete sich Cadvan zu Wort. »Ich erinnere mich nur allzu gut an sie. Das ist der Landrost.«
Plötzliche, betretene Stille senkte sich über den Tisch. Von allen Barden wirkte allein Indik ungerührt.
»Ich dachte, die Elementare könnten ihre angestammten Orte nicht verlassen«, sagte Kelia, eine kleinwüchsige Bardin, die links von Malgorn saß und deren dunkle Stirn sich in tiefe Falten gelegt hatte. »Ich dachte, der Landrost wäre an seinen Berg gebunden …«
»Sie verlassen ihre angestammten Orte nicht gern«, erklärte Maerad. Die Barden drehten sich ihr zu und lauschten mit ernsten Mienen. »Arkan - der Winterkönig hat mir verraten, dass es sich für sie anfühlt, als verlören sie ihr Wesen. Aber das bedeutet nicht, dass sie es nicht können.«
»Wäre er fernab seines Berges demnach schwächer?«, fragte Indik zweifelnd und zupfte an seiner Unterlippe.
»Ich weiß es nicht.« Hilflos ließ Maerad den Blick um den Tisch wandern. Vor ihr saßen die sechs mächtigsten Barden Inneils. In einem Gefecht war jeder einzelne von ihnen so viel wert wie ein ganzer Trupp Soldaten; dennoch spürte sie, wie ihr Herz verzagte. »Aber in der Luft liegt der Geruch von Hexerei. Die Elidhu sind keine Hexer.«
Indik bedachte sie mit einem scharfen Blick.
»Du denkst, hier haben auch Untote die Finger im Spiel?«, fragte er. Maerad zuckte mit den Schultern. »Bei keinem der anderen Angriffe waren Untote beteiligt. Das ist das Einzige, wofür ich dankbar war. Tja …«
Er setzte sich aufrecht hin und ließ den Blick in die Runde schweifen. »Die Schutzbanne wurden eindeutig von Werwesen durchbrochen«, sagte er. »Trotzdem denke ich, sie sollten erneuert werden. Ich habe heute früh am Morgen Kundschafter ausgesandt, sobald ich das Wetter roch, und sie berichteten mir, dass ein Heer von Gebirgsmännern unterwegs hierher ist; es wird bald eintreffen. Und zweifellos werden sich auch auf dem Boden Werwesen darunter befinden.« Plötzlich wurde sein Blick leer, als lauschte er auf etwas, das sonst niemand zu hören vermochte. Die anderen Barden beobachteten ihn stumm und warteten höflich; Indik führte ein Gedankengespräch mit einem Barden auf den Mauern. Schließlich schaute er auf. »Kelavar hat mir gerade gesagt, dass berittene Truppen vor der Ostmauer gesichtet wurden. Wie viele es sind, können sie nicht abschätzen, die Sicht ist sehr schlecht… aber die fliegenden Werwesen stiften Chaos im Ort. Sie richten nicht viel Schaden an, sorgen aber für reichlich Panik. Auch hier ist unbekannt, um wie viele es sich handelt. Er glaubt, dass bislang fünf Werwesen getötet wurden.«
Stirnrunzelnd stand Malgorn auf und ging zum Kamin. Maerad beobachtete ihn angespannt. Sie mochte Malgorn und erkannte seine Stärken, doch sie vermutete, dass er kein Barde des Krieges war. Fragend schaute sie zu Cadvan. »Die Schwachstelle bildet wie immer das Tor«, ergriff Cadvan das Wort. »Wenn der Landrost selbst mit seinen Streitkräften marschiert, wird er seinen heftigsten Angriff dort unternehmen. Dennoch dürfen wir auch den Rest der Mauer nicht außer Acht lassen …«
»Uns fehlt eine Armee«, meinte Malgorn. »Bauern, die Schwerter schwingen, als schnitten sie Heu, sind unzulänglich, ganz gleich, wie tapfer sie sein mögen … Und ja, wir haben Barden hier, aber zu wenige …«, sprach er beinahe flüsternd. Indiks Züge verfinsterten sich. »Malgorn, wir haben keine Zeit für Wehklagen oder Bedauern«, sagte er. »Das Licht weiß, dafür haben wir vielleicht später noch genug Zeit. Ja, wir haben nicht
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