Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
genug Soldaten und nicht genug Magier. Mir scheint, der Landrost beabsichtigt, uns völlig auszulöschen. Die Finsternis marschiert mit ihm. Ich gebe zu, es sieht nicht allzu hoffnungsvoll für uns aus. Also lasst uns darüber nachdenken, wie wir die Kräfte, über die wir verfügen, am besten einsetzen.« Er ließ einen düsteren Blick um den Tisch wandern, und die anderen Barden nickten. Malgorn errötete und blickte auf seine Hände hinab, und Silvia musterte ihn mit undeutbarer Miene. Sie war sehr blass, doch aus ihrem Gesicht sprach Entschlossenheit. In Silvia steckte Stahl, dachte Maerad, der Malgorn fehlte, und sie fragte sich, weshalb nicht Silvia zur Obersten Bardin ernannt worden war. Zum ersten Mal, seit sie das Wachhaus betreten hatte, spürte Maerad eine plötzliche Bündelung von Kraft, ein Aufkeimen von Zielstrebigkeit. Als Indik darzulegen begann, wie er die bevorstehende Schlacht sah, fühlte sie ungeachtet der trüben Aussichten, wie sich ein kleiner Hoffnungsschimmer in ihr regte.
Indik hatte eine klare Vorstellung davon, was Inneil drohte. Er hatte in regelmäßigen Abständen entlang der Mauern Inneils Hauptleute aufgestellt, die sich über Gedankensprache mit ihm verständigten. Jeder trug die Verantwortung über eine unterschiedliche Anzahl von Barden und Soldaten sowie Gruppen von Freiwilligen aus der Bevölkerung des Tals. Wie Malgorn gesagt hatte, waren es nicht nur insgesamt zu wenige, sondern auch zu wenige geschulte oder kampferprobte Krieger. Bewaffnet waren sie mit Schwertern und Bogen wenngleich in den Wirren des Turms Pfeile so gut wie nutzlos waren -, außerdem mit Bottichen voll Teer, siedendem Ol und Steinen, die sie auf die Köpfe der Angreifer kippen und werfen konnten. Eine auserlesene Gruppe von bestens geschulten Kriegern hoch zu Ross und zu Fuß hatte Indik an den Toren postiert.
Er war den Gebirgsmenschen schon früher begegnet und hatte sie als harte Kampfer kennen gelernt, skrupellos, schlau und ohne jede Angst. Die Möglichkeit, dass der Landrost sowohl Elementarkräfte als auch die Hexerei der Finsternis einsetzen könnte, bereitete ihm mehr Sorgen, als er zugeben wollte. Die Aussichten eines Gefechts konnte er so gut wie jeder andere abwägen, und von der Kraft der Werwesen hatte er sich bei anderen Schlachten im Tal ein Bild machen können; seiner Einschätzung nach konnte Inneil unter Umständen bestehen, obwohl die Werwesen die Schutzbanne durchbrochen hatten, die von ihm und Malgorn gewoben worden waren. Die Anwesenheit des Landrosts allerdings stellte eine Unwägbarkeit dar; bis sie ihm im Kampf begegneten, würden sie seine Kraft nicht kennen. Indik gehörte zu jenen, die den Landrost für dieselbe Gestalt wie Karak hielten, der während der Großen Stille das verlorene Reich Indurain verwüstet hatte. Wenn er damit recht hatte, sahen sie sich einem der mächtigsten Verbündeten des Namenlosen gegenüber.
Wenn er es so betrachtete, hatte Inneil keine Chance. Aber Indik war stur; je schlechter die Aussichten, desto verbissener würde er kämpfen. Solange er noch atmete, war er nicht bereit, den Gedanken zu erwägen, dass Inneil an den Landrost fallen könnte.
Wie Cadvan ging Indik davon aus, dass die größte Wucht des Angriffs die Tore treffen würde, dennoch fand er, dass sie ihre Truppen entlang der Mauern verteilen sollten. »Dort werden wir es am wahrscheinlichsten mit Belagerungsleitern zu tun bekommen«, meinte er. »Und wenn der Ort nicht hinter unseren Rücken dem Erdboden gleichgemacht werden soll, müssen wir sie zurückschlagen. Die Schutzbanne werden helfen, aber ich bin nicht sicher, ob sie reichen werden, erst recht nicht, wenn die Werwesen darüber hinwegfliegen können … Außerdem beunruhigt mich zutiefst, dass sie bereits durchbrochen wurden. Ich verstehe nicht, warum sie nicht schon eine ganze Armee von Werwesen über die Mauern geflogen haben.« »Vielleicht können nur die mächtigsten Werwesen die Schutzbanne überwinden«, schlug Maerad vor. Sie dachte an die erste Schlacht zurück, in die sie je verwickelt gewesen war. Damals waren sie in der Wildnis von Indurain von Werwesen angegriffen worden. Cadvan hatte einen Wall errichtet, um sie zu schützen, und die Werwesen hatten ihre Wolfsgestalten verändert, um darüber hinwegfliegen zu können. »Oder vielleicht warten sie auf etwas.«
»Ich halte Ersteres für wahrscheinlicher«, meldete sich Malgorn zu Wort. »Wir sind nicht dumm; wir wissen, dass Werwesen ihre Gestalt verändern
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