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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Ellbogen auf den Fenstersims lehnte und stumm atmete. Dann stach ihm etwas ins Auge, das sich auf einer der Straßen nahe des Kreises bewegte: ein Blinken von Gold. Der Junge beugte sich aus dem Fenster, um einen besseren Blick darauf zu erhaschen. Ja, es war Karims Wagen, der eine der breiten Durchfahrtsstraßen zum Kreis heraufrollte. Hem beobachtete, wie das Gefährt auf den Platz rumpelte, gefolgt von einem Strom von Menschen. Der Junge staunte: Gewiss würden die Barden der Truppe nicht erlauben, dort zu lagern, genau in der Mitte der Schule, oder? Vermutlich hatten sie gar nicht vor zu lagern - vermutlich wollten sie ein Schauspiel aufführen! Sobald er sicher war, dass der Wagen angehalten hatte, rief er Irc zu sich, eilte aus dem Zimmer und klopfte an Salimans Tür.
    Saliman öffnete mit einer über die Schultern geschlungenen Robe, und Hem wurde klar, dass er den Barden aus dem Bett geholt hatte.
    »Saliman! Karim ist hier - mit seinem Wagen, mitten im Kreis!« Hems Wangen leuchteten vor Aufregung rosig. »Gewiss können sie dort nicht lagern. Würde Nadal ihnen das gestatten? Oder glaubst du, sie führen ein Schauspiel auf? Können wir hingehen und ihnen zusehen?«
    »Tja, junger Hem, wenn du dir Karim und die anderen Schauspieler ansehen willst, werde ich dich nicht aufhalten«, erwiderte Saliman. »Aber mich wirst du entschuldigen müssen; ich bin ein wenig müde und möchte die seltene Gelegenheit nutzen, um ein wenig zu schlafen.«
    Hem bekam ein schlechtes Gewissen, als er sah, dass Erschöpfung Salimans Züge zeichnete. Bestimmt hatte er bis spät in die Nacht mit Nadal geredet, und vermutlich hatte er noch andere Pflichten. »Saliman, es tut mir leid …«, sagte er. Der dunkelhäutige Barde lächelte und zerzauste ihm das Haar. »Ich vergebe dir, Hem, auch wenn ich gerade am Rande köstlichen Schlafes wandelte, als du mich davon zurückgezerrt hast. Nichts könnte ein größerer Beweis meiner Liebe für dich sein … Und jetzt geh, Junge, und lass mich ein Weilchen ruhen.« Hem wandte sich zum Aufbruch. Saliman rief hinter ihm her: »Vergiss nicht, dass wir mit Nadal zu Abend essen!«
    »Werde ich nicht!«, gab Hem über die Schulter zurück und rannte geräuschvoll die Treppe hinab.
    Karim hatte den Wagen genau in der Mitte des Kreises angehalten, und es hatte sich bereits eine Menge neugieriger Zuschauer eingefunden. Hem hielt an der Tür des Bardenhauses inne, erstaunt von dem festlichen Anschein, den die Versammlung vermittelte. Die Menschen gebärdeten sich, als drohte ihnen keine Gefahr, als marschierte keine Armee gegen Til Amon, als wäre alles im Lot. Einen Lidschlag lang überdeckte eine plötzliche, verzehrende Wut seine Aufregung darüber, die Schauspieler zu sehen. Mit einem Schlag verstand er, wie Soron sich gefühlt haben musste, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, während sie unbedarft vor dem Feuer geübt hatten, als wäre alles in bester Ord-ung. Hem, Soron und Saliman hatten zu viel verloren: Soron eine Geliebte Jerika beim Untergang von Turbansk, Saliman eine Stadt und viele seiner besten Freunde, und Hem … nun, auch Hem hatte seine Verluste erlitten.
    Seine Wut verebbte so schnell, wie sie aufgekommen war, doch als sie verschwand, zuckte durch seine Gedanken eine faulige Erinnerung an den albtraumhaften Marsch durch die Hügel von Glandugir. So deutlich, als hätte er es in diesem Augenblick vor Augen, sah er das Grauen im Gesicht eines der Bluthunde vor ich, jener verhexten Kindsoldaten, mit denen er durch die Hügel marschiert war, als eine schauerliche Ranke sich um die Füße des Kindes geschlungen und es schreiend zwischen die Bäume gezerrt hatte. Die Erinnerung wirkte so lebendig, als wäre er dort; ogar die feuchte, saure Erde vermeinte er zu riechen. Eine Woge von Übelkeit stieg von seinen Füßen aus in ihm auf. Hem zuckte zusammen, kauerte sich mit in der Brust hämmerndem Herzen gegen den Türpfosten und sagte sich benommen, dass er kein Bluthund mehr war, nicht mehr an jenem grauenhaften Ort weilte und nie dorthin zurückzukehren brauchte. Er wollte sich schon umdrehen und zurück ins Haus gehen, doch dann riss er sich zusammen. Warum sollten die Menschen sich nicht vergnügen, auch wenn andere litten? War das denn so gänzlich schlimm? Vielleicht war es in solch finsteren Zeiten umso wichtiger…
    Er trat aus der Tür, stolperte und fiel beinah. Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht bemerkt, dass seine Beine zitterten und ihm kalter Schweiß

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