Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
mich.«
Als Hem mit dem Essen fertig war, hatte es zu regnen aufgehört, und über ihnen breitete sich blauer Himmel aus. Mit vollem Bauch und dem Funkeln der fahlen Wintersonne in den Pfützen wirkte Til Amon nicht ganz so trostlos, und Hems Stimmung besserte sich, als er Saliman zum Bardenhaus folgte, wo er wohnen würde. Es gehörte, so berichtete ihm Saliman, Nadal, dem Obersten Barden von Til Amon. Es handelte sich um ein hohes, prächtiges Haus, das am Rand des inneren Kreises der Schule gegenüber der Bibliothek und der Versammlungshalle stand. Als sie den Kreis durchquerten, einen breiten, mit bunten Platten gepflasterten Platz in der Mitte der Schule, betrachtete Hem neugierig die Menschen, an denen sie vorbeikamen: Es erschien ihm seltsam, nur hellhäutige Annarer zu sehen. Da er monatelang unter dem Volk des Suderain gelebt hatte, das so schwarzhäutig wie Saliman oder von so dunkler Kupferfarbe wie Zelika war, hatte er sich daran gewöhnt.
Ihm fiel ein, dass Karim gesagt hatte, er würde hier eines seiner Schauspiele aufführen, allerdings war weit und breit kein Anzeichen des Wagens zu erkennen. Inmitten der Kargheit des Kreises wäre er so unübersehbar gewesen wie ein Fabelwesen. Hem vermutete, dass die Schauspieler noch nicht eingetroffen waren. In der Hoffnung, sie mögen in keine Schwierigkeiten geraten sein, folgte er Saliman durch die hohen Holztüren, die in das Bardenhaus und zu Nadals Gemächern führten.
Saliman führte Hem in ein angenehmes Wohnzimmer, in dem am gegenüberliegenden Ende ein knisterndes Feuer die Kälte vertrieb. Wie die Räume der meisten Barden zeichnete auch diesen ein Gespür sowohl für Schönheit als auch für Gemütlichkeit aus. Die Wände waren mit honigfarbenem, zu einem sanften Schimmer poliertem Holz getäfelt und von Regalen gesäumt, die das übliche bardische Sammelsurium von Büchern, Schriftrollen, Kuriositäten und Instrumenten verschiedener Art enthielten. In der Mitte des Zimmers standen niedrige Sofas mit einem Bezug aus rau gewobener, mit dem Blau aus Thorold gefärbter Seide um einen breiten, ebenfalls niedrigen Tisch. Soron saß am Feuer und unterhielt sich in ernsten Tönen mit einem großen hellhaarigen Barden. Beide erhoben sich, als Hem und Saliman eintraten, und der Barde, bei dem es sich natürlich um Nadal handelte, begrüßte die beiden höflich, wobei er Hem mit einem neugierigen Blick bedachte. »In Anbetracht dessen, wie fiebrig du noch gestern Nacht warst, überrascht mich, dass du nicht im Bett bist«, sagte er.
Hem neigte höflich das Haupt. »Ich denke, ich bin recht zäh«, erwiderte er. »Jedenfalls geht es mir heute wieder gut.«
»Nach seinem Appetit zu urteilen, ist mit ihm alles in Ordnung«, meinte Saliman. Sie setzten sich zu den beiden anderen Barden, und sein Tonfall wurde ernst. »Hem, ich möchte, dass du Nadal die Stimmgabel zeigst, die du Sharma abgenommen hast, als du in Den Raven warst.«
»Eigentlich hat Irc sie gefunden«, berichtigte Hem ihn. Er verspürte eine eigenartiges Widerstreben, als er die Kette über seinen Kopf hob; für gewöhnlich ruhte die Stimmgabel vergessen an seiner Haut. Er hielt sie in der Hand und fühlte ihr Gewicht: Es handelte sich um einen schlichten, aus Messing gefertigten Gegenstand, doch als Hem in berührte, spürte er dessen verschleierte Macht. Neugierig ergriff Nadal die Stimmgabel und begutachtete sie eingehend. »Sieht nicht außergewöhnlich aus«, befand er. »Aber das ist bei magischen Gegenständen häufig so. Diese Runen sind äußerst merkwürdig. Ich habe solche noch nie gesehen.«
»Ich schon«, sagte Saliman. »Wie ich dir schon erzählte. Auf Maerads Leier. Sie gehören eindeutig zusammen… und die Leier ist zweifellos dhyllisches Gewerk, hergestellt in der untergegangenen Stadt Afinnil. Ich habe mich schon gefragt, ob Nelsor höchstpersönlich diese Dinge angefertigt haben könnte. Schließlich war er ein Meister der Schriften; diese Runen könnten seine Schöpfung sein.«
»Dem zufolge, was Irc uns berichtet hat, trug der Namenlose dies um den Hals«, sagte Soron. Er beäugte die Stimmgabel mit einem schiefen Blick, als haftete daran noch immer eine Spur der Gegenwart der Finsternis. »Mir scheint höchst wahrscheinlich, dass es etwas mit dem Bindungszauber zu tun hat, der Sharma in dieser Welt hält. Und in Anbetracht dessen, was Hem uns über seine Begegnungen mit dem Elidhu erzählt hat, denke ich, dass Salimans Vermutung, dies alles sei zutiefst verwoben mit
Weitere Kostenlose Bücher