Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Kleine glücklich in diesem Geisterhaus, in dem sich schreckliche Dinge zutragen sollen», flüsterte eine ihrer Nachbarin zu.
«Nun, vielleicht schafft sie es ja, die Grausamkeiten, von denen man sich erzählt, zu verhindern», erwiderte die andere.
«Wisst Ihr mehr, Gevatterin?»
Die eine beugte sich nah zur anderen und wisperte ihr so laut ins Ohr, dass es die Umstehenden gut verstehen konnten: «Leichen soll er dem Henker abkaufen, hörte ich, und sie in seinem Haus zerschneiden. Totgeborene Kinder legt er in Alkohol ein und verwahrt sie in Gläsern. Sechsbeinige Ratten und sogar eine Katze mit zwei Köpfen soll er ebenfalls konserviert haben.»
Die andere erschauerte wohlig und warf noch einmal einen Blick auf Kopper, der neben Isabell vor dem Altar stand.
Warum stehe nicht ich dort?, fragte sich Sibylla in einem Anflug von Verzweiflung. Sie gab sich gleich darauf selbst die Antwort: Weil es nicht ging. Und doch konnte sie es nicht verhindern, dass der Schmerz in ihr fraß und ihr die Tränen in die Augen trieb, als die beiden Brautleute sich gegenseitig das Heiratsversprechen gaben.
Nach der Zeremonie eilte Sibylla als eine der Ersten aus der Kirche und stellte sich so, dass sie den Eingang, aus dem nun die Leute strömten, gut im Auge hatte. Sie suchte den Kürschnermeister Hintz. Den Hintz, der sich vor vielen Jahren mit dem Gerber Sachs um verdorbene Felle gestritten hatte.
Endlich sah sie ihn. Alt war er geworden und gebrechlich. Seine Werkstatt lief gut, hörte man, aber auch, dass seine Pelzwaren in der Verarbeitung nicht die Besten seien. Mehr als einmal hatte es deswegen Klagen vor der Zunft gegeben, und einmal hatte Hintz sogar vor der Lade erscheinen, Besserung geloben und einige Gulden zahlen müssen. Doch hatte er auch den Ruf eines mürrischen und besserwisserischen alten Mannes, so galt aufgrund seines Alters sein Wort in der Zunft.
«Meister Hintz, wie geht es Euch?», sprach Sibylla den alten Mann an. Hintz blickte überrascht auf. Es war selten, dass der mürrische Alte von jemandem ins Gespräch gezogen wurde. Sibylla sah den schmalen Mund und die tiefen Furchen in seinem Gesicht. Er hatte die Augen zusammengekniffen und betrachtete Sibylla misstrauisch.
«Wie soll’s schon gehen, Schierin? Ärger hat man, nichts als Ärger.»
«Recht habt Ihr, Meister Hintz», bestätigte Sibylla. «Das Handwerk ist auch nicht mehr das, was es einst war.»
«Wie meint Ihr das?»
Hintz stützte sich auf seine Krücke und legte eine Hand hinters Ohr.
«Nun», Sibylla lachte. «Was sollte ich schon meinen? Die Gerber sind’s, die uns das Leben schwer machen. Man gibt gute Ware, teure Felle zu ihnen, und was bekommt man zurück? Nichts als Pfusch. Verfilzte Ware, die man keinem Kunden mehr mit gutem Gewissen anbieten kann. Von Glück kann man reden, wenn die Ware sonst keinen Schaden bringt!»
Sibylla lächelte den alten Mann freundlich an und beugte sich ein Stück zu ihm hinunter. «Auch Ihr hattet schon Ärger mit Sachs, ich erinnere mich noch genau, obwohl es Jahre her ist. Hatte nicht sein Geselle Euch damals die Ware verdorben?«
Sibylla sah die Wut in Hintz auflodern. Der Alte hatte die Schmähung nicht vergessen. Er hob die Krücke und drohte jetzt in Richtung Main, dorthin, wo die Gassen der Gerber lagen.
«Meister Sachs, ja. Betrogen hat er mich. Jawoll, und gedroht außerdem.»
«Nicht Sachs war es, der Euch geschadet hat. Sachs ist ein gutmütiger Mann, der niemandem etwas Böses tut. Einer seiner Gesellen ist’s, dem man nicht trauen kann. Mit dem Teufel soll er im Bunde sein, und an Fastnacht erschien er als Krähe. Ein Kostüm wäre es, sagte er. Aber mich konnte er nicht täuschen, nein! Verwandelt hatte er sich in den Unglücksvogel mit des Teufels Hilfe. Mit eigenen Augen habe ich’s gesehen», flüsterte Sibylla.
«Was? Wie?», fragte der Alte. «Welchen von Sachsens Gesellen meint Ihr? Welcher ist der Galgenvogel?»
«Kaum wage ich, seinen Namen auszusprechen», wisperte Sibylla und tat, als würde sie sich ängstlich umsehen. «Furcht habe ich, dass er mich straft.»
«Nun sagt es schon, Schierin, wer ist es? Ihr seid doch eine gute, gottgefällige Frau. Braucht nichts zu befürchten.»
«Der, den sie Thomas nennen, ist es», hauchte sie.
«Thomas?», hakte der Alte nach. «Das passt. Der Name sagt es schon. Auch in der Bibel gab es einen Ungläubigen mit diesem Namen.»
«Ist das nicht Beweis genug?» Sibylla gab ihrer Stimme einen ängstlichen Klang.
Der Alte
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