Die Pelzhändlerin (1. Teil)
erneut aufgehäuft und mit Wasser befeuchtet. Entscheidend für die Färbekraft des erzeugten Pulvers ist die Einhaltung einer gleichbleibenden Wärme.
Der blaue Farbstoff wird erst während der Gärung sichtbar. Nach der Trocknung und Siebung wird das fertige Waid-Farbpulver, das wie Taubenmist aussieht, in Fässern aus Tannenholz verpackt.
Das Färben mit Waid ist ein schwieriger Vorgang, für den jeder Färber seine eigenen Rezepturen hat. Die Färbebrühe wird mit warmem Wasser in Kupfergefäßen angesetzt und enthält neben dem Waidpulver Zusätze von Kleie, Krapp und vor allem Pottasche. Krapp und Kleie fördern die Gärung, während die Pottasche der Vernichtung der bei der Gärung entstehenden Säuren dient. Abhängig von der Dosierung des Farbpulvers, von der Nutzungsdauer der Brühe und der Menge des zugefügten Krapps, werden mit Waid die Farben Schwarz, Blau, Braun und Grün erreicht.»
Sibylla lächelte. «Du hast mich überzeugt. Ich glaube dir nun, dass du dich bestens mit Pflanzen auskennst.»
Isaak lachte. «Verzeih mir, wenn ich wie ein Priester oder Schulmeister gesprochen habe.»
«Gibt es in Frankfurt einen Färber, der den Umgang mit der Waidpflanze kennt und auch das nötige Farbpulver hat?»
Isaak Kopper überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. «Ich glaube nicht», sagte er. «Vor Jahren holte sich mancher das Pulver vom Niederrhein, doch die Farbe war wenig kraftvoll, also ließ man es bald wieder.»
«Das heißt also, dass es in Frankfurt kein Waidpulver gibt?», fragte Sibylla mutlos. «Womit soll ich dann meine Felle färben?»
Isaak Kopper war aufgestanden. Er reichte Sibylla seine Hand und forderte sie auf: «Komm mit!»
Gehorsam ließ Sibylla sich hochziehen, ging an Isaaks Hand die Treppe hinunter in seine Laborräume und sah zu, wie der Arzt in einem großen Schrank mit unzähligen kleinen Laden kramte.
«Hier ist es», murmelte er und holte ein Leinensäckchen von der Größe eines kleinen Stubenkissens hervor.
Er reichte es Sibylla, und sie las den kleinen Zettel, der am Zugband des Säckchens befestigt war: «Waidpulver.»
«Oh, Isaak!», entfuhr es ihr, und ehe sie sich’s versah, warf sie sich auch schon dankbar in seine Arme. Wie von selbst fanden ihre Lippen seinen Mund, ihr Atem verschmolz mit seinem, ihre Körper drängten sich aneinander und wurden zu einem Leib.
Es dauerte lange, bis sie sich wieder ihrer Umgebung bewusst wurden.
Zärtlich umfassten Isaaks Hände Sibyllas Gesicht. Leise sagte er: «Ich liebe dich noch immer, Sibylla. Obwohl ich es nicht will. Ich lebe mit Isabell und kann doch nur dich lieben. Gott verzeih mir.»
«Es ist besser, wenn ich jetzt gehe», erwiderte Sibylla, doch das Zittern ihres Körpers, ihr verlangender Blick straften ihre Worte Lügen.
Isaak räusperte sich, ließ Sibylla los und trat einen Schritt zurück. Seine Miene war ernst.
«Ja, es ist wohl besser, wenn du gehst», wiederholte er Sibyllas Worte. «Nimm das Waidpulver mit und versuche, die Pelze zu färben.»
Noch einmal tauschten sie einen Blick, in dem alles geschrieben stand, was sie einander niemals gesagt hatten. Dann flüchtete Sibylla aus dem Keller, eilte in die Diele, riss ihren Umhang vom Haken und stürmte in die kalte Winternacht hinaus, in der Hoffnung, dass diese ihr das heiße Blut kühlen würde.
Kapitel 19
Am nächsten Abend wartete sie, bis Stille im Haus eingekehrt war. Es war Samstag, die Gesellen hatten frei, saßen bei Bier und Apfelwein in der Zunftstube. Katharina besuchte ihre Mutter, die in einer Kate in der Neustadt lebte, und auch Barbara hatte das Haus verlassen. Sibylla war allein im Haus. Aus der Küche holte sie Zuber und Kessel in verschiedenen Größen. Sie hatte Isaak gut zugehört, wusste, dass sie das Waidpulver zusammen mit Kleie, Krapp und Pottasche in einem Kupferkessel über dem Feuer erhitzen musste. Nur das Verhältnis, mit denen Kleie, Krapp, Pottasche und Waidpulver gemischt werden mussten, war ihr unbekannt. Sie würde es ausprobieren müssen und dabei jedoch darauf achten, nicht zu viel von dem blauen Pulver zu verschwenden. Eine schwierige Aufgabe. Sibylla nahm den Kessel vom Feuer, als das Wasser begann, Blasen zu werfen. Dann holte sie die Apothekerwaage, die sie heute gekauft hatte, herbei und wollte gerade damit beginnen, die einzelnen Zutaten abzumessen und die Maße zu notieren, als sie meinte, ein vorsichtiges Klopfen an der Tür gehört zu haben.
Sie lauschte, doch das Geräusch
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