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Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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zu haben. Über den Brunnentratsch drangen diese Anekdoten auch zu Sibylla. Doch was immer Schieren im Osten auch getrieben haben mochte, Sibylla war es gleichgültig, solange er sie nur in Ruhe ließ.
    Und das tat er. Nur selten richtete er das Wort an seine Frau, hielt sich im Hause mit seinen Erzählungen zurück, kam nur zum Essen und zum Schlafen in die Krämergasse. Seinem Sohn Christoph schenkte er nicht die geringste Beachtung, fragte nicht einmal, woher dieses Kind so plötzlich kam, hatte er doch mit seiner Frau nur wenige Male das Lager geteilt.
    Einzig als er hörte, dass Susanne als Magd bei Sachs lebte und unter seiner Obhut zu einer anstelligen jungen Frau heranwuchs, bekam er einen Wutanfall.
    «Wie kannst du meine Tochter, mein Fleisch und Blut, zu einem Gerber geben! Und noch dazu als Magd! Schande und Verderben über dich, verfluchtes Weib, dreckige Schlampe.»
    Er holte aus, als wolle er Sibylla schlagen, doch Sibylla zuckte nicht, wich nicht zurück. Vielleicht erinnerte er sich daran, dass sie schon einmal zurückgeschlagen hatte. Er ließ den Arm sinken und sagte lediglich drohend: «Gleich holst du sie von dort. Schon morgen wirst du ihr die schönsten Kleider anmessen und dafür sorgen, dass sie wie eine vornehme junge Frau ihres Standes gehalten wird.»
    «Nichts dergleichen werde ich tun», beharrte Sibylla und verschränkte die Arme vor der Brust. «Und wenn du mich zwingen willst, du verdammter Hurenbock, so versuche es ruhig. Während du weg warst, habe ich deinen Bastard, den du mit Maria, der Wäscherin aus dem ‹Neuen Heißenstein›, gezeugt hast, als unser eigenes Kind ins Haus genommen und dafür gesorgt, dass Maria, die Frau, die du geschändet und um ihre Ehre gebracht hast, ein gutes Unterkommen hat. Deine Tochter aber, der ich ein Leben als Handwerksmeisterin beim Gewandschneider Schulte bestimmt hatte, war so faul und dumm, dass dieser sie am liebsten auf die Straße gejagt hätte. Also habe ich sie zu Sachs gegeben, und du kannst froh und dankbar darüber sein, dass sich überhaupt jemand gefunden hat, der sie wollte.»
    «Hhmm», brummte Wolfgang Schieren und ging mit keinem Wort auf Sibyllas Worte ein. Stattdessen fragte er: «Wie viele Jahre zählt sie nun? Hat sie das Heiratsalter schon erreicht?»
    «14 Jahre ist sie.»
    Schieren überlegte. Auch er wollte Susanne nicht im Haus haben, hatte sich ohnehin nie um seine Kinder gekümmert. Im Grunde war es ihm herzlich gleichgültig, was aus seinen Nachkommen wurde. Einzig das Gerede der Leute machte, dass er sich nach ihnen erkundigte.
    «Soll sie bleiben, wo sie ist», bestimmte er schließlich. «Doch übers Jahr wird sie heiraten. Ich selbst will ihr den richtigen Mann suchen.»
    Sibylla nickte. «Wenn du meinst», erwiderte sie. «Aber woher willst du die Aussteuer nehmen, die sie sich erträumt? Im Moment wirst du sie gerade mal an einen Gesellen los.»
    Schieren knurrte zur Antwort, doch dann erinnerte er sich an seinen Sohn Johannes. «Ist er schon in die Lehre gegeben?»
    Sibylla nickte. «Beim Zunftmeister Wachsmuth ist er untergebracht.»
    «Warum nicht hier? Er wird eines Tages die Werkstatt übernehmen. Soll er von Anfang an hier arbeiten.»
    Sibylla schüttelte den Kopf. «Du irrst, Schieren, wenn du glaubst, dass ein Nichtsnutz wie dein Sohn die Werkstatt erben wird. Mein Besitz geht auf Christoph über, der als unser gemeinsames Kind gilt und so das Vorrecht hat.»
    «Du hast meine Abwesenheit gut für dich ausgenutzt», fauchte er, doch er wusste, dass er nichts gegen Sibylla unternehmen konnte. Schließlich gehörten Haus und Werkstätten ihr, und da er aus den Ostländern lediglich mit tausend Versprechungen zurückgekehrt war, bleib ihm vorerst nichts, als abzuwarten und darauf zu hoffen, dass sich diese in bare Münze verwandelten oder dass Sibylla starb und er sie als ihr Ehemann beerben konnte.
    Doch Sibylla lebte, stand jung und schön, entschlossen und tatkräftig vor ihm. Gedemütigt und in seiner männlichen Würde beschmutzt fühlte er sich jedes Mal, wenn er mit seiner Frau sprach. Zu deutlich ließ sie ihn spüren, dass er für sie nichts als ein dummer, eitler, alter Mann war, dem sie keine Liebe, noch nicht einmal die geringste Zuneigung entgegenbringen konnte.
    Ihr Hochmut und seine eigene Ohnmacht brachten ihn derart in Harnisch, dass er wieder die Hand gegen Sibylla erhob.
    Sie bewegte sich nicht, sagte nur gefährlich leise: «Erinnerst du dich an Thomas, den Gerber?»
    Schieren schrak

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