Die Pelzhändlerin (1. Teil)
waren aus fließenden, weichen Stoffen gearbeitet, die die Haut der Frauen streichelten. Ein Kleid von Sibylla verlieh jeder Frau eine weibliche Ausstrahlung, ließ jeden Mann schlucken und nach Atem ringen. Und die Frankfurterinnen ließen sich von Sibyllas heimlicher Glut anstecken und rissen ihr schier die Kleider aus den Händen.
Aber Isaak war nicht nur für die sinnlicheren Kleider verantwortlich, er half ihr auch dabei, die richtige Zusammensetzung für den Farbstoff der Waidpflanze zu finden. Schon bald war das erste Stück Pelz blau eingefärbt, und ganz Frankfurt bejubelte die Tatsache, dass die begehrte italienische Mode endlich auch ihre Stadt erobert hatte.
Um ihr Geheimnis für sich zu behalten, sandte Sibylla einen Boten nach Thüringen, um neues Waidpulver zu erstehen, ließ hinter ihrem Haus auf dem gepflasterten großen Hof ein Werkstattgebäude errichten und stellte einen wandernden Färbergesellen ein, der sich um die Färbung kümmerte.
Die Zunft hatte es längst aufgegeben, Sibylla die Vermischung der einzelnen Gewerke zu untersagen. Sie zählte inzwischen die einflussreichsten Frankfurter zu ihren Kunden und konnte sich über Zunftbräuche hinwegsetzen. Dabei half auch der große Batzen Gulden, den sie gespendet hatte, und die Tatsache, dass sie das Zunfthaus der Kürschner so prächtig neu eingerichtet hatte, dass es nun sogar prunkvoller war als das Haus der Goldschmiede.
Doch Sibylla war immer noch vorsichtig, reizte die Zunft nicht über das Maß hinaus. Sie wusste genau, wie schnell sich das Blatt wenden konnte.
Jetzt hatte sie fast alles erreicht, was sie sich vorgenommen hatte, war stolze Besitzerin der besten Kürschnerei, der besten Gewandschneiderei und beschäftigte neben Kürschnern, Pelznäherinnen und dem Färber inzwischen auch zwei Einrichterinnen, eine Putzmacherin, eine Weißstickerin und eine Perlenstickerin. Wieder drohte das Haus aus allen Nähten zu platzen, doch Sibylla gelang es ohne große Mühe, ein weiteres Haus in der Krämergasse zu erwerben.
In Frankfurt hatte sie alles erreicht, was zu erreichen war. Und doch war sie ruhelos. Noch immer litt sie unter der Schuld, die sie auf sich geladen hatte, um die zu werden, die sie jetzt war.
Und seit sie Isaak Kopper liebte, quälte sie eine Frage immer wieder. Eine Frage, auf die es keine Antwort gab: Würde Isaak sie auch lieben, wenn er sie als Wäscherin Luisa, als arme, verachtete und unehrenhafte Frau kennen gelernt hätte? Oder liebte er die Sibylla in ihr? Liebte er das Leben, das sie einer anderen nach deren Tod gestohlen hatte?
Isabell Kopper hatte inzwischen einen Sohn zur Welt gebracht. Er wurde auf den Namen Adam getauft, zählte nun schon ein halbes Jahr. Isaak liebte ihn zärtlich.
«Wenn ich Isabell auch nicht so lieben kann, wie sie es verdient hat, so werde ich doch dafür sorgen, dass es ihr an nichts fehlt», sagte er eines Tages zu Sibylla. «Sie ist die Mutter meines Sohnes. Allein dafür gebührt ihr ein Platz in meinem Herzen.»
Ein leiser Stich der Eifersucht durchdrang Sibylla. Doch Isaak sprach weiter: «Auch du bist verheiratet, Sibylla. Das dürfen wir nie vergessen.»
Sibylla nickte. Insgeheim hoffte sie jedoch, dass Schieren niemals zurückkehren würde. Noch immer gab es keine Nachricht von ihm. Ein Jahr schon war er weg, und Sibyllas Hoffnung, dass er verschollen bleiben würde, wuchs mit jedem weiteren Monat.
Doch an einem Tag kurz vor der Herbstmesse stand er plötzlich vor der Tür. Er war mit einer der Händlerkolonnen gekommen, die sich vor Monaten aus dem Osten auf den Weg nach Frankfurt gemacht hatten. Sibylla gelang es nur schlecht, ihren Unmut über seine Rückkehr zu verbergen, doch Schieren schien es nicht zu bemerken.
In der Zunft wurde er mit Jubel begrüßt, jeder lauschte den unglaublichen Geschichten, die er erlebt haben wollte. Er war der Mann der Stunde, sonnte sich im Erstaunen seiner Mitmenschen und brüstete sich mit Versprechungen, die ihm die Menschen im Osten gemacht hatten. Schiffsladungen voller seltener Pelze würden kommen und dafür sorgen, dass Frankfurt seinem Namen als Hauptplatz der Rauchwarengewerke alle Ehre machte.
Am meisten interessierten seine Kumpanen jedoch seine Geschichten über die Frauen im Osten. Mehr als ein schlüpfriges Erlebnis habe er mit ihnen gehabt. Das sei dort üblich als Zeichen der Gastfreundschaft. Außerdem würde ein Mann sich dort wie im Paradies fühlen, war es ihm doch gestattet, gleichzeitig mehrere Frauen
Weitere Kostenlose Bücher