Die Pelzhändlerin (1. Teil)
zusammen. Natürlich erinnerte er sich an den Mann. Schließlich war er es, der Thomas den Auftrag gegeben hatte, seine Frau zu schänden. Was wusste Sibylla davon?
«Was ist mit ihm?», fragte Schieren mit gespielter Arglosigkeit, doch Sibylla entging nicht, dass feine Schweißperlen auf seiner Oberlippe standen.
«Nun, er war mit dem Teufel im Bunde. Man hat ihn aus der Stadt getrieben, nie wieder darf er Frankfurt betreten.»
Schieren wurde blass. «Mit dem Teufel im Bunde?», fragte er töricht.
Er schluckte. Sibylla trat ganz dicht an ihn heran und flüsterte beinahe unhörbar: «Und ich schwöre dir, dass es jedem so ergehen wird, der mir etwas anhaben will. Jeder Mann, der sich mir in den Weg stellt, ist mit dem Teufel im Bunde. So wahr mir Gott helfe.»
Ein Blick in sein Gesicht zeigte ihr, dass er genau verstanden hatte, was ihm geschehen würde, sollte er sich gegen Sibylla stellen.
«Ich verfluche den Tag, an dem ich dich geheiratet habe», erwiderte er mit gepresster Stimme. Dann drehte er sich um und ging.
Von diesem Tag an ging er ihr aus dem Weg. Und Sibylla war klug genug, dafür zu sorgen, dass er immer genügend Geld in der Lade vorfand, um sich in den Spielstuben und Badehäusern, in den Schankwirtschaften und im Zunfthaus zu berauschen.
Sie gab ihm alles, was er brauchte, und war froh und dankbar, dass er sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen ließ und das Haus in der Krämergasse nur noch zum Essen und zum Schlafen betrat. Auch in der Kürschnerei vermisste ihn niemand. Heinrich ersetzte den Meister in jeder Hinsicht so vollkommen, dass Sibylla seinen Lohn um einiges aufgestockt und ihn damit zu einem der reichsten Gesellen in der Stadt gemacht hatte. Von Barbara hatte sie erfahren, dass er sich sogar mit dem Gedanken trug, eine Frau zu nehmen und sich ein kleines Häuschen in der Neustadt, wo dies auch ohne Bürgerrecht möglich war, zu kaufen.
Und doch hatte Schierens Rückkehr alles verändert. Isaak Kopper konnte nicht mehr ins Haus kommen, ihre Treffen wurden seltener.
«Ich muss dich sehen, Sibylla», drängte er, als sie sich zu später Abendstunde am verlassenen Mainufer trafen. «Ich kann es nicht ertragen, deine Haut nicht mehr zu fühlen, will dich nicht hinter den Büschen lieben, als wärst du eine Magd und ich ein Knecht.»
«Aber was sollen wir tun? Es gibt keinen einzigen Platz in der ganzen Stadt, an dem wir unsere Liebe leben können.»
Isaak nickte, und Sibylla hüllte sich tiefer in ihren warmen Pelz. Wieder war es Dezember, wieder heulte der Wind und peitschte das Wasser des Flusses, dass dieser Wellen schlug. Ein Jahr lang dauerte ihr Verhältnis nun schon, und beide wussten, dass sie ohneeinander nicht leben konnten.
Ein Zimmer in einer Herberge konnten sie nicht mieten. Nicht für Stunden, nicht für eine Nacht. Zu bekannt waren beide – Isaak als Ratsherr und Professor an der Frankfurter Lehranstalt, Sibylla als Besitzerin der größten Einrichterei und Kürschnerei –, als dass sie auf diese Art und Weise einen Platz gefunden hätten.
Ehebruch! Das Wort hing über ihnen wie ein flammendes Schwert. Käme heraus, was sie beide miteinander verband, so wäre ihnen die Exkommunikation sicher. Sie würden aus der Kirche verstoßen werden, verlören Bürger- und Stadtrecht, ihren Besitz und müssten sich wie fahrende Zigeuner auf den Landstraßen ein neues Zuhause suchen.
«Es muss sich etwas ändern. Im Frühjahr, gleich nach der Schneeschmelze, werde ich nach Florenz gehen», sagte Isaak, und Sibylla erschrak bei diesen Worten.
«Du kannst mich nicht hier allein lassen, Isaak», erwiderte sie angstvoll.
«Nein, das werde ich nicht tun», antwortete er, nahm ihr Gesicht in seine Hände und wärmte es sorgsam und sanft.
«Ich werde dich mitnehmen. In Florenz können wir uns lieben, können zusammen sein, wann immer wir wollen. Wenigstens für eine kurze Zeit wünsche ich mir, so mit dir zusammenzusein wie ein Ehemann mit seiner Frau. Komm mit, Sibylla. Begleite mich nach Florenz.»
«Und was wird aus meinem Geschäft? Was aus Isabell?»
«Isabell scheut die weite Reise. Adam ist noch klein. Wir könnten ihn unmöglich mitnehmen. Deshalb wird Isabell mit dem Kind in Frankfurt bleiben.»
«Aber mein Geschäft! Meine Kunden! Die Aufträge! Was wird daraus?»
«Heinrich wird dich bestens vertreten in der Kürschnerei. Das weißt du. Und auch die beiden Einrichterinnen verstehen ihr Handwerk. Schließlich hast du es ihnen beigebracht.»
Isaak lächelte.
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