Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Fall große Löcher in die Kasse schlagen würde. Er würde sich verschulden müssen, noch bevor er den Titel gewonnen hatte, um neue Partien Rohware für die bestehenden Aufträge zu kaufen.
«Nun», fragte der Zunftmeister. «Ist Euch der Preis zu hoch? Wollt Ihr Euch noch einmal überlegen, ob ein Leben als Geselle nicht besser zu Euch passt, und meinem Sohn den Vortritt bei Sibylla lassen? Wie Ihr wisst, muss die Zunft jeder Heirat zustimmen. Ich bin nicht sicher, ob sich alle damit einverstanden erklären, dass so gegen Sitte und Tradition verstoßen wird.»
Theiler schluckte. Er hatte gewusst, dass die Zunft ihm Steine in den Weg legen würde. Doch eine Schaube aus Zobel war kein Stein, das war ein Felsen. Woher sollte er die Felle nehmen? Bis zur nächsten Messe waren es noch Monate. Wenn er dort die günstigere Rohware kaufen würde, dann brauchten die Felle noch einmal Monate, bis sie so gegerbt und zugerichtet waren, dass man sie verarbeiten konnte. Kaufte er aber bereits vorbereitete Partien, so musste er ein Vielfaches mehr dafür bezahlen. Sorgen, nichts als Kummer und Sorgen würden auf ihn zukommen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, sich mit Sibylla zu verloben. War er wirklich der Richtige, um eine Werkstatt zu führen? War er der Mann, der mit einer Frau wie Sibylla leben konnte und wollte?
Sie war bei Gott kein fügsames Weib wie die anderen. War es nicht besser, er bliebe Geselle und suchte sich hin und wieder eine Frau im Badehaus? Hatte er bisher vielleicht schlecht gelebt? Hatte es ihm an irgendetwas gefehlt?
Doch eine Chance wie diese bekam man nur einmal im Leben. Er war ein Krüppel. So einer wie er bekam nie eine Frau oder eine eigene Werkstatt. Ein Narr wäre er, würde er diese Gelegenheit in den Wind schlagen. Die Zunft musste die Heirat genehmigen, so stand es geschrieben. Letzten Endes würden sie es nicht wagen, gegen die eigenen Regeln zu verstoßen.
Theiler sah die lauernden Gesichter der anderen und den Spott darin. Wenn die Hochzeit nicht genehmigt würde, hatte er alles verloren. Niemand würde ihn mehr einstellen. Und Sibylla würde einen anderen heiraten oder verkaufen. Für sie war gesorgt.
«Na?», fragte der Zunftmeister hämisch. «Dürft Ihr solch eine Entscheidung überhaupt allein treffen? Oder müsst Ihr erst nach Hause und Eure Braut um Erlaubnis fragen? Habt Ihr keine Angst, dass sie Euch rausschmeißt, wenn Ihr das Falsche sagt?»
Das Gelächter der anderen dröhnte Theiler in den Ohren.
«Ich werde die verlangten Stücke vorlegen», sagte er bestimmt. «Sobald unsere Verlobung offiziell in der Zunftstube angeschlagen steht, beginne ich mit der Arbeit.»
Dann stand er auf, grüßte zum Abschied und verließ mit festen Schritten den Raum.
Der Spott nagte an ihm. Sie hatten Recht, er musste Sibylla klarmachen, wer die Hosen im Hause trug.
Sie hatte ihn lächerlich gemacht, ihn dem Hohn der Zunft preisgegeben, hatte ihn in seiner Männlichkeit beschnitten. Gottverdammt, sie war ein Weib und musste lernen, sich wie ein solches zu benehmen! Das Maul aufreißen, ohne gefragt zu sein – das durfte sie nie wieder tun! Er hatte das Sagen im Haus, nicht sie, das Weib. Oder spielte sie sich nur so auf, weil er ein Krüppel war?
Er fand sie im Wohnzimmer. Sibylla saß am Fenster. Sie hatte ein Kleid über den Knien liegen, dass sie in einer der Truhen gefunden hatte, und stickte eine kleine gelbe Sonne in den Saum.
Als sie Jochens Gesicht sah, erschrak sie. Es war weiß vor unterdrückter Wut. Er hatte die Zähne fest aufeinander gebissen und alle Muskeln seines Kinns so fest angespannt, dass es kantig und steif wirkte.
Seine Augen, zu schmalen blitzenden Schlitzen verengt, musterten sie streng.
Ohne ein Wort zu sprechen, kam er auf sie zu, griff nach dem Kleid und zerriss es.
«Was soll das?» fauchte Sibylla und sah mit grenzenloser Empörung auf die Fetzen zu ihren Füßen. «Wie kannst du mein Kleid zerreißen?»
Tränen stiegen ihr in die Augen. Jochens Geste war ein Omen. Ein Kleid Sibyllas hatte sie mit der kleinen gelben Sonne als ihren Besitz kennzeichnen wollen. Er hatte es ihr weggenommen. Hatte weggenommen und zerstört, was sie sich erkämpft hatte. Sie hatte ihr altes Leben verlassen, hatte sich todesmutig ein neues angeeignet. Und er kam daher und zerriss mit einer einzigen Handbewegung das erste Zeugnis des neuen Lebens. Einfach so. Und sie hatte sich nicht dagegen wehren können. Ohne es zu wollen und ohne es verhindern zu können, brach sie
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