Die Pelzhändlerin (1. Teil)
zu tun als das Falsche. Es ist nicht die beste Zeit, sich ins Gerede zu bringen», erwiderte Martha orakelhaft, doch als sie sah, dass sich Sibyllas Augen verdunkelten, hob sie den Becher, zwang sich ein Lächeln ab und wiederholte die Worte der Magd: «Ihr habt eine gute Wahl getroffen. Möge sie Euch Glück bringen.»
Barbara brachte am nächsten Tag die Neuigkeiten vom Markt mit. «Die ganze Stadt spricht über Euch. Der Altgeselle ist gestern schnurstracks in die Zunftstube geeilt, um seiner Wut Luft zu machen. Die Köpfe hätten sie sich heiß geredet, sagt man, weil die Heirat mit dem Zunftmeisterssohn als beschlossene Sache galt. Der alte Ebel soll so aufgebracht gewesen sein, wie man ihn selten erlebt hat. Einschreiten wird er, hat er geschrien, Sitte und Anstand wieder herstellen, und die anderen haben dazu genickt.»
Sibylla hörte zu und zuckte mit den Achseln. Was sollte sie tun? Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass man sich nicht gegen das allgemeine Gerede zur Wehr setzen konnte. Und sie war sich sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Sie ging zu Theiler. «Wir sollten alsbald heiraten», sagte sie. «Wenn wir Tatsachen schaffen, beenden wir das Gerede am ehesten.»
Theiler nickte. «Ich werde heute Abend noch vor der Zunft unsere Verlobung anzeigen und die Meisterwürde beantragen.»
Als er die Zunftstube betrat, verstummten alle Gespräche. Theiler blickte in die Gesichter der Anwesenden. Die Meister um Ebel herum betrachteten ihn mit ärgerlichen oder abfälligen Blicken, die ärmeren Kürschner hingegen zeigten verstecktes Wohlwollen darüber, dass endlich einmal jemand dem Zunftmeister die Stirn geboten hatte.
«Ich bin gekommen, meine Verlobung mit der Wöhlertochter anzuzeigen. Auch die Meisterwürde wünsche ich nun», sagte er mit fester Stimme.
«Hast du’s ihr so gut besorgt, dass sie vergessen hat, welch armer Krüppel du bist?», rief der Zunftmeisterssohn hämisch und lachte bitter.
«Hast du ihr das Blaue vom Himmel versprochen, die klösterliche Unschuld ausgenutzt und ihr weisgemacht, Brauch und Sitte zählten hier nicht?», schrie ein anderer.
Und ein Dritter, der abgewiesene Witwer, vermutete: «War sie es etwa, die darauf bestand, die Gemahlin eines hinkenden Schluckers zu werden? Hat sie dir Prügel angedroht, wenn du nicht gehorchst? Oder mit Rauswurf gedroht wie beim Altgesellen?»
Die Meister am oberen Tischende grölten, und auch die anderen konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Der Zunftmeister verwies Theiler auf seinen Platz am unteren Ende des Tisches und unterbrach mit einer Handbewegung den Lärm.
«Ein jeder lebt, wie es ihm gebührt. Schwingt sich ein Weib im Haus zum Manne auf, so muss der Mann den Knüppel schwingen», erklärte Ebel, und die anderen nickten.
Dann blätterte er in einigen Papieren, die er der Zunftlade entnommen hatte, und sprach weiter: «Ihr müsst ein Meisterstück vorlegen, ehe Ihr die Würde erringt.»
Das Lächeln auf den Gesichtern derer, die über die Zunft bestimmten, zeigte, dass man sich bereits einig geworden war, es Theiler so schwer wie möglich zu machen.
«Ich höre die Bedingungen der Zunft», sagte Theiler ruhig, legte beide Unterarme auf den Tisch und sah Ebel gelassen entgegen.
«Ihr werdet der Zunft fünf verschiedene Stücke vorlegen», begann der Zunftmeister. «Ein zubereitetes Marderfell, einen kurzen Pelz von zwei Ziegenfellen, einen Unterpelz mit kunstvoller Verzierung, eine feine Lederarbeit und …»
Ebels Lächeln ging in ein hämisches Grinsen über. «… und eine Schaube, einen langen Herrenmantel, aus Zobel.»
Die ärmeren Kürschner atmeten hörbar aus. Eine Schaube aus Zobel! Allein die Rohware kostete ein Vermögen. Wie sollte Theiler das bewerkstelligen?
«Euer Sohn, so hörte ich, soll der Zunft eine Kappe aus Feh, dem preiswerten Fell der Eichhörnchen, als Meisterstück vorlegen», erwiderte Theiler, offenbar ungerührt.
«Nun, das Handwerk ändert sich. Was gestern galt, ist heute vorbei. Was dem einen Recht ist, muss dem anderen nicht billig sein. Zobel und Hermelin machen einen guten Meister; die einfachen Pelze sind Gesellenarbeit.»
Lauernd sahen die Meister am oberen Tisch Theiler an. Die verlangten Meisterstücke waren die Rache des Zunftmeisters, Theilers Versagen beschlossene Sache. Würde er weiter um die Meisterwürde ringen, so brauchte er sehr viel Geld, um die Stücke herzustellen. Geld, das er wahrscheinlich nicht hatte und das auf jeden
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