Die Pelzhändlerin (1. Teil)
ist ein Krüppel. Über ein halbes Jahr seid ihr nun schon verheiratet, aber du bist noch immer nicht schwanger. Pass gut auf, was du machst. Schon manche ist schneller gefallen, als ihr lieb war. Ich möchte dich jedenfalls nicht mit dem Strohkranz der Ehebrecherin auf dem Kopf den Strafgang zur Kirche gehen sehen.»
«Die Leute reden, wie sie es verstehen», erwiderte Sibylla mit leichter Schärfe in der Stimme. «Ich habe keinen Liebsten, Theiler ist mir genug. Er ist ein guter Mann. Ich liebe ihn auf meine Art.»
Überrascht blickte Christine sie an. «Du hast keinen Liebsten, doch mit Theiler verbindet dich nur wenig? Du bist schon so lange verheiratet. Hast du dich nicht an das Beilager gewöhnt?»
Sibylla presste die Lippen aufeinander und schwieg. Sie dachte an die Nächte im Fellkleid, die ihr so kostbar waren, dachte aber auch daran, dass Jochen ihre Haut nur streichelte, wenn sie von Fell bedeckt war. Es war, als fürchte er, eine andere zu berühren. Zwar hatten sie in der Hochzeitsnacht die Ehe vollzogen, doch die Nächte danach waren nicht so verlaufen, dass ein Kind daraus hätte entstehen können. Trotzdem waren sie schön, gaben ihr alles, was sie brauchte an Schutz und Geborgenheit, an Zärtlichkeit und Wärme.
Christine sah Sibylla mit einer Mischung aus Mitleid und Besorgnis an und sagte dann, als hätte sie ihre Gedanken gelesen: «Gott hat alle Körperteile mit einem Sinn ausgestattet. Auch die Leibesmitte, damit wir von ihr den rechten Gebrauch machen. Die Vernachlässigung des Schoßes aber kann uns großen Schaden zufügen und närrische Gedanken erzeugen. So manche Frau ist daran zugrunde gegangen. Das beste Mittel, so sagen die Ärzte, um gesund und heiter zu bleiben, ist die regelmäßige fleischliche Beiwohnung, und zwar seitens kräftiger, wohlgebauter Männer.»
«Amen», sagte Sibylla, lachte unfroh und setzte eine Miene auf, die zeigen sollte, dass sie dieses Gespräch am liebsten beenden würde. Doch Christine ließ nicht locker.
«Und was ist mit Kindern?», fragte sie. Sibylla überlegte. Sie konnte Christine nichts von dem Fellkleid erzählen, nichts von Theilers Eigenart, die für sie normal war, in den Augen der anderen aber seltsam wirken würde.
«Immer kann ich mich Theiler nicht verweigern, deshalb habe ich von einem fahrenden Händler Schafsdärme gekauft. Vom Mann beim Beischlaf angewandt, verhindern sie eine Schwangerschaft», antwortete sie schließlich in der Hoffnung, dass Christine ihr die Frau, die die Lust noch nicht gefunden hatte, abnahm.
Christine schaute regelrecht entgeistert. «Heißt das, dass du keine Kinder möchtest?»
Sibylla nickte. «Jedenfalls jetzt noch nicht.»
«Warum in Gottes Namen hast du dann geheiratet? Der Sinn einer Frau, der Sinn einer Ehe sind Kinder! Du kannst dich dem nicht verweigern, Sibylla. Jede normale Frau wünscht sich ein Kind. Was ist los mit dir?»
Christine fühlte sich für einen Augenblick, als wäre sie verraten worden. Schützend legte sie beide Hände auf ihren Bauch, als wolle sie nicht, dass das ungeborene Kind den Blicken einer Frau ausgesetzt war, die keines bekommen wollte. Wie kam Sibylla dazu? Jede Frau kriegte Kinder, das war einfach so. Keine stellte sich hin und sagte, dass sie keine wolle. Auf solch einen unglaublichen Gedanken kam niemand. Das wäre ja genauso, als würde ein Hund sich weigern zu bellen. Hunde bellten aber, und Frauen bekamen Kinder. So und nicht anders hatte Gott die Welt eingerichtet. Sie war schließlich auch schwanger. Kein Mensch, auch sie selbst nicht, hatte vorher gefragt, ob sie Kinder wollte oder nicht.
Wozu war sie sonst auf der Welt? Was war los mit Sibylla, dass sie nicht schwanger werden wollte?
«Frauen, die keine Kinder wollen, gibt es nicht», stellte Christine mit Nachdruck fest. «Also, was ist los mit dir?»
«Nichts ist los. Ich möchte jetzt einfach noch kein Kind, das ist alles.»
Christine schluckte und sah die Freundin lange an. «Manchmal machst du mir Angst», sagte sie leise.
Sibylla hatte Christine beobachtet. Sie hält mich für verrückt, dachte sie. Sie versteht nicht, dass ich kein Kind will, und deshalb fürchtet sie sich tatsächlich vor mir. Um Gottes willen, alles, bloß das nicht. Aber ist es nicht so, dass es mir ganz recht ist, noch nicht schwanger zu sein? Wessen Kind wäre es, das ich gebären würde? Das der Wäscherin Luisa oder das der toten Sibylla? Muss ich nicht erst noch meinen Platz finden, wenn ich ihn weitergeben soll? Aber
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