Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Die Pelzhändlerin (1. Teil)

Titel: Die Pelzhändlerin (1. Teil) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
Vom Netzwerk:
seufzte und sah Sibylla so sorgenvoll und verzweifelt an, wie sie ihn noch nie gesehen hatte: «Sogar vorstellig geworden bin ich bei den Säumigen. Die Ausreden, mit denen sie mich abgefertigt haben, sollte man zur Belustigung des gemeinen Volkes an der Kirchentür anschlagen. Aber gezahlt haben die wenigsten. Warum auch? Eine bezahlte Stola unterscheidet sich beim Kirchgang nicht von einer unbezahlten.»
    «Wir können die Sache vor Gericht bringen», schlug Sibylla vor.
    Jochen lachte bitter auf: «Ein guter Gedanke. Dann liegen wir bald mit der halben Stadt im Streit.»
    «Heißt das, dass wir die Edelpelze nicht kaufen können, weil wir sowohl die Rohware als auch den Gerblohn nicht bezahlen können?»
    Jochen nickte.
    «Dann müssen wir das Geld leihen. Es gibt schon einige Banken hier in der Stadt. Von Metzler zum Beispiel, Gontard oder das Bankhaus Bethmann.»
    «Nein, Sibylla, ausgeschlossen. Wie wollen wir das Geliehene mit Zins und Zinseszins zurückzahlen, wenn wir kaum noch die Wäscherin bezahlen können?»
    Sibylla erschrak, doch sie ließ sich nichts davon anmerken. Niemals wieder wollte sie arm sein, niemals. Und nun? Kreiste der Pleitegeier wirklich schon dicht über dem Kaminabzug? Es musste etwas passieren, und das schleunigst. Holte sie ihre Vergangenheit ein? War Sibylla gar nicht tot, begraben und vergessen? Ist sie auferstanden, um sie wieder dorthin zu schicken, wo sie hergekommen war? Nein, das war nicht wahr, Tote waren scheu und kleinmütig, hatten keine Macht über die Lebenden. Sibylla schüttelte entschieden den Kopf.
    «Ich hätte nicht auf dich hören sollen, Sibylla», klagte Jochen in ihre Gedanken hinein. «Deine Einfälle bringen uns an den Bettelstab. Unsere Ersparnisse habe ich aufgebraucht, um die Felle für die vielen Stolen zu kaufen. Spekuliert habe ich – und dabei verloren. Wären wir bei unseren angestammten Waren und Kunden geblieben, so hätten wir jetzt keine Not.»
    «Wir werden weitere Stücke davon verkaufen», versuchte Sibylla zu trösten.
    «Pah! Weitere Stücke! Du träumst wohl? Alle Kürschner in der Stadt fertigen inzwischen nach deiner Mode, aber viele zu weitaus günstigeren Preisen.»
    «Sie machen uns nach? Aber das dürfen sie nicht! Die Blütenstola war ein Einfall der Kürschnerei Theiler.»
    «Du kannst es ihnen nicht verbieten. Sehen müssen wir, wie der Lohn für die fertigen Stücke hereinkommt.»
    Sibylla überlegte einen Augenblick. «Jochen, der Erfolg gibt mir Recht. Beinahe jede Frau in der Stadt ist von meinem Einfall begeistert. Wir brauchen ein Mittel, das die Kunden zur Zahlung zwingt. Und wir brauchen die 100 Partien Edelpelze, um weiterarbeiten zu können. Investieren müssen wir noch einmal, allein das kann uns retten.»
    «Ich denke nicht daran, noch mehr Schulden zu machen», erwiderte Jochen. «Wer kein Geld hat, der kann auch keins ausgeben. So einfach ist das.»
    «Nein, wenn wir jetzt klein beigeben und wieder dorthin zurückkehren, wo wir am Anfang standen, dann war unsere ganze Mühe umsonst. Wir haben eine schlechte Zeit, aber es werden wieder bessere kommen. Geh zur Zunft, Jochen, und entleihe das Geld aus der Lade.»
    «Nein, ich mache mich dort nicht lächerlich», begehrte Jochen auf.
    Sibylla gab nicht auf, und schließlich überzeugte sie ihren Mann, dass eine Anleihe bei der Zunft die einzige Möglichkeit war, den wirtschaftlichen Ruin in die Schranken zu weisen. Mit dem Geld kaufen und gerben lassen.
    Womit Sibylla nicht gerechnet hatte, war, dass Jochens Arbeitseifer unter der Last der Schulden leiden würde. Spät erst stand er aus dem Bett auf, schleppte sich lustlos in die Werkstatt und erledigte dort nur das Allernötigste. Auch die Gesellen arbeiteten ohne den sonst so strengen Meister eher schlampig. Es war, als hätten die Sorgen Jochens ganze Kraft aufgezehrt.
    Und schon bald war das Geld wieder alle, und noch immer hatten die meisten Kundinnen nicht bezahlt. Der Schuldturm schien immer näher zu rücken.
    Sibylla sparte, wo sie nur konnte. Sie begnügte sich mit dem Allernotwendigsten, sparte am Essen und Trinken, ließ Barbara kaum Fleisch und Gemüse auf den Tisch bringen. Doch alle ihre Bemühungen waren wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
    Zu allem Unglück forderte die Zunft bereits die erste Rückzahlungsrate. Doch die Geldkassette war leer; hämisch lachte der eingravierte Hund.
    «Wir sind wirklich auf den Hund gekommen», dachte Sibylla, und die Angst kroch über ihren Rücken. Sie wusste, was

Weitere Kostenlose Bücher