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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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hast du dich eingebunkert. Ja, denkt Tomke trotzig. Ich habe mir meine Familie eben erkämpfen müssen. Vor allem meine Kinder. Die Einzige, die ihr Geheimnis kennt, ist Teresa. Sie hat fast zum gleichen Zeitpunkt wie Tomke ihren Mann verloren. Da war sie Gast hier in ihrer Pension.
    Die Mikrowelle beendet die Aufwärmaktion mit ihrem vertrauten Ping, und Tomke unterbricht ihre Gedanken. Vergangen ist vergangen. Nach vorne schauen. Da spielt die Musik. Das war immer ihre Devise. Sie balanciert die Schüssel mit der heißen Suppe zum Tisch, als das Telefon klingelt. Das Display zeigt Julianes Nummer. Tomke zögert. Sie hat wenig Lust, an das gestrige Gespräch anzuknüpfen. Was heißt Gespräch? Das war eine unangenehme Ausfragerei. Ihre Tochter hat kein Gespür dafür, wann Schluss ist und man den anderen einfach in Ruhe lassen muss. Nein, hat sie ganz und gar nicht. Juliane bohrt, wenn sie etwas wissen will, mit einem unbeirrbaren Starrsinn weiter. Bis man ihr notgedrungen die Zähne zeigt und sie in ihre Schranken weist. Dann ist sie obendrein beleidigt, weil man kein Vertrauen hat und ihr nicht alles erzählt. Soll sie. Tomke kann mit ihr nun einmal nicht über Paul reden. Das will sie überhaupt mit niemandem mehr. Das hält ihn und ihre Gefühle für ihn nur unnötig lebendig. Entgegen ihrer Eingebung nimmt Tomke den Hörer ab.
    »Moin, Juliane.«
    »Moin, Mama, also ich muss eben mal Luft ablassen.«
    »Man zu«, ermutigt Tomke sie. Erleichtert, dass ihre Tochter anscheinend eigene Probleme hat und nicht wieder an ihr herumtherapieren will.
    »Ich sage nur: Männer und Hühnerfrikassee und ein festlich gedeckter Tisch. Die Kombination kann man getrost knicken.«
    »Bist du schwanger?«
    »Nein, wie kommst du denn auf die Idee?«, fragt Juliane gereizt, als wäre es selbstverständlich, dass Tomke durch ihre dahingeworfenen Brocken deren tieferen Zusammenhang versteht.
    »Hühnerfrikassee und vorweg klare Brühe mit Eierstich macht einen Haufen Arbeit.«
    »Das kannst du wissen«, stimmt Tomke ihr zu und setzt sich auf einen Küchenstuhl. Sie weiß noch immer nicht, worauf Juliane hinauswill, aber ihre Tochter ist mächtig in Rage und sie wird ihr einfach zuhören.
    »Du weißt das. Mein lieber Ben nicht. Ich habe heute ein frisches Huhn gekocht, weil er erkältet ist. Stärkt nachgewiesen das Immunsystem. Aber wenn Suppe und Frikassee endlich auf dem Tisch stehen, ist es ein einfaches Essen. Das vorher eine Masse Arbeit macht. Kochen, das Vieh wieder herausholen und abpulen. Dabei fühle ich mich immer wie eine Barbarin. Erst die pickelige, weiße Haut abziehen und dann das Fleisch. Zurück bleiben Skelett, Hautfetzen und der abgeschnittene Hintern. Man selbst ist hinterher bis zu den Ellenbogen eingefettet. Ganz zu schweigen von der Küchenanrichte und dem Herd. Das bedeutet: alles putzen und wieder nett herrichten. Und dann? Was ist der einzige Kommentar von meinem Mann? Er motzt, während er die Suppe in sich hineinlöffelt, dass Maggi fehlt. Ben ist erkältet. Kein Wunder, dass er nichts schmeckt. Ich kann nun mal nicht ihm zuliebe die Suppe total überwürzen. Dann schiebt er sich das Frikassee rein und meckert, er hätte lieber eine richtige Hähnchenkeule als zerbombtes Huhn gehabt. Das nächste Mal hole ich wie andere Frauen Hühnerfleisch und Brühe im Glas und verlängere das ganze mit Extrakt. Der Aufwand, alles selbst zu machen, lohnt nicht. Jedenfalls nicht für einen Banausen wie Ben.«
    »Richtige Einstellung. Koch nur aufwendig, wenn du selbst Lust auf so ein Essen hast. Und deck auch nur den Tisch dekorativ, wenn dir danach ist. Woher soll Ben wissen, wieviel Arbeit das macht?«
    »Genau das ist der Punkt, Mama. Er weiß es nicht. Und warum? Weil nur ich koche! Weil nur ich einkaufen gehe! Ben hat noch nicht kapiert, dass ich längst wieder halbtags berufstätig bin. Mit Haushalt und Kind komme ich auf mehr Stunden als er. Da kümmert er sich einen Scheiß drum. Er hat nach seiner Arbeit Feierabend. Den wohlverdienten. Ich weiß knapp, wie man Feierabend buchstabiert.«
    »Dann sag es ihm. Männer brauchen klare Ansagen.«
    »Vielen Dank für diese Binsenweisheit. Ich will, dass er selbst darauf kommt.«
    »Da kannst du lange warten. Sag es ihm oder koch einfach nicht mehr.«
    »Sag mal, interessiert dich überhaupt, was ich dir erzähle?«, fragt Juliane angriffslustig. »Andere Mütter würden sich freuen, wenn sie von ihren Töchtern noch so ins Vertrauen gezogen

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