Die Pension am Deich: Frauenroman
Nicht lange, dann hat er seinen Belagerungsposten aufgegeben und war verschwunden. Als Frank nach Hause kam, hatte sie ihn schon wieder vergessen. Das lag an dem Gefühlschaos, in dem sie sich gerade befand.
»Stimmt, es hat mich ein Fremder vor unserem Haus angesprochen. Er hat nach einer anderen Monika Habermann gesucht.«
»Siehst du. Nachdem er mit dir gesprochen hatte, dämmerte ihm langsam, dass da eine krumme Tour läuft. Er war von der fixen Idee beseelt, das Mädchen, das unter deinem Namen im Bordell illegal arbeitet, zu retten. Deshalb ist er zur Polizei gegangen.«
Monika hört ihm kaum noch zu. Die ganzen Hintergründe sind ihr plötzlich einerlei. Vollkommen unwichtig, wieso eine andere Frau ihre Personalien hat. Egal, warum sie dieser Mann mit einer Prostituierten verwechselt hat. Die einzige Frage von Bedeutung, die bleibt: Wie konnte Frank sich durch diese paar Zeilen eines Wildfremden derart verblenden lassen? Wie konnte so viel Misstrauen aus dem Nichts entstehen? Gegenüber einem Menschen, mit dem er seit einem Vierteljahrhundert zusammenlebt. Warum hat er nicht mit ihr gesprochen? Und Erik? Ihr smarter Mitsegler, der sich angeblich vom ersten Tag an ernsthaft in sie verliebt hat. Der ist kein Deut besser. Er hat einen Tag nach dem anderen verstreichen lassen und war sich doch nicht sicher. Er brauchte auch einen Beweis. Deshalb hat er ihr dieses platte unmoralische Angebot gemacht. Anstatt ihr schlicht und einfach die Wahrheit zu sagen und Frank den Auftrag vor die Füße zu werfen.
Monika streckt sich und sagt kalt: »Okay, Erik, beenden wir das Gespräch. Ich will deine Berufsehre nicht weiter in Gefahr bringen.«
»Was hast du vor? Lass dir doch helfen.«
»Dafür ist es zu spät. Du hast deine Chance gehabt. Vielen Dank, dass du sie nicht genutzt hast.«
»Monika, bitte!«
»Einen einzigen Gefallen kannst du mir noch tun: Kein Wort zu Frank über dieses Gespräch. Was heißt Gefallen. Wenn du das tust, wirst du es bereuen.«
»Wie redest du denn plötzlich? Mach bitte keinen Unsinn. Beruhige dich erst einmal. Sag mir, wo du bist. Ich komme und …«
Monika drückt wortlos auf den roten Knopf und steckt das Handy mechanisch in ihre Jackentasche. Mit eckigen Bewegungen, die denen eines Roboters ähneln, steht sie auf. Sie dreht sich langsam um und starrt in Richtung Pension.
Kapitel 15
Tomke und Anne
Tomke hat es geahnt. Nachdem sie das Geschirr in die Spülmaschine gepackt und die Krümel vom Teppich gesaugt hat, ist es so weit. Ihre Rückenmuskulatur hat sich völlig verkrampft. Sie wird eine stärkere Tablette einnehmen müssen. Obwohl es ihr gegen den Strich geht. Das Medikament lässt ihren Kreislauf in den Keller fahren. Wie erwartet, schafft Tomke es nach der Einnahme gerade noch, sich eine Wärmflasche zu richten und wie hypnotisiert ihr Bett anzusteuern. Kaum liegt sie in der Waagerechten, da ist sie eingeschlafen.
Ein Uhr. Tomke starrt fassungslos auf die Zeiger ihres Weckers. Kaum zu glauben. Sie hat fast zwei Stunden geschlafen. Nach dem ersten Schreck lässt sie sich in ihr Kissen zurückfallen. So ein Quatsch. Warum regt sie sich auf, dass sie sich eine Pause gegönnt hat? Zugegeben, eine ausgedehnte. Aber die Auszeit hat sie gebraucht, und sie kann sie sich leisten. Ihre Verpflichtungen für diesen Tag sind durchaus überschaubar. Genau genommen, der Rest des Tages gehört ihr. Betten machen, Papierkörbe leeren und durch die Badezimmer huschen, die Aufgaben kann sie abhaken. Ihre Gäste haben dankend abgewinkt. Sie würden selbst dafür sorgen. Würde ich auch so machen, denkt Tomke. Gut, dass sie oben die kleine Abstellkammer mit Putzzeug eingerichtet hat.
Sie öffnet die Kühlschranktür und bleibt unschlüssig davor stehen. Irgendwie hat sie Hunger und auch wieder nicht. Sie entscheidet sich für den Rest Tomatensuppe vom Vortag und stellt ihn in die Mikrowelle. Gedankenverloren beobachtet sie die rotierende Schüssel. Linda Loretta hat sich bei ihr einquartiert. Kaum zu glauben. Am liebsten würde sie es überall herumerzählen. Doch sie wird damit warten, bis die Loretta abgereist ist. Aber dann! Die Frage ist nur: Wem will sie es erzählen? Ihren Freundinnen. Hat sie im Grunde keine in Horumersiel. Sie konnte nie etwas mit den Teerunden der Landfrauen anfangen. Gelogen, Tomke Heinrich. Du hast Schiss gehabt. Du musstest immer aufpassen, das ist das Thema. Weil bei dir zu Hause einiges anders gelaufen ist. Das sollte niemand mitkriegen. Deshalb
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