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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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tragisch. Die Schlussposition ist die ausschlaggebende. Sie muss perfekt sein. Sie bleibt im Gedächtnis der Zuschauer haften. Nach ihr bewerten sie euren gesamten Tanz.
    Tomke bleibt mit hocherhobenem Kinn, eine Hand an der Hüfte, die andere weit über den Kopf gestreckt, vor dem Spiegel stehen. Sie blickt sich stolz ins Gesicht. Ja, sie ist mit erhobenem Haupt gegangen. Sie war kein Feigling und hat nicht gebettelt: Bitte, bitte bleib bei mir. Egal, zu welchen Bedingungen. Nur bleib. Nein, sie ist keine faulen Kompromisse mehr eingegangen. Sie ist ruhig geblieben, obwohl in ihr ein Vulkan getobt hat. Sie hat keine Schimpfkanonade hinter ihm hergeschickt. Sie hat gelächelt. Paul wird sie als wundervolle Partnerin im Gedächtnis behalten. Hoffentlich quält ihn die Erinnerung!
    Die Haustür wird aufgeschlossen. Bevor Tomke ins Schlafzimmer huschen kann, steht Anne neben ihr. Sie starrt Tomke an, als würde sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht trauen.
    »Ich wollte Sie nicht stören«, stottert sie.
    »Tun Sie nicht. Ich probe nicht für einen geheimen Auftritt im Fernsehen.«
    Tomke lächelt schief. »Außerdem können Sie jederzeit in das Wohnzimmer. Ist im Angebot. Packen Sie ruhig Ihre Lebensmittel in den Kühlschrank. Wollten Sie doch oder?«
    Anne nickt verdattert. »Sie überraschen mich wirklich.«
    »Weshalb?«, kontert Tomke trocken. »Ihr Rucksack steht offen. Keine Sorge, hellsehen kann ich noch nicht.«
    »Meine Überraschung gilt dem Bauchtanz. Den hätte ich Ihnen sicher nicht angedichtet.«
    »Weil orientalisch nicht zum nordischen Typ passt?«
    »Wahrscheinlich.«
    Anne rührt sich noch immer nicht von der Stelle.Tomke ist die Situation nun doch unangenehm. Immerhin wird sie von ihrer Lieblingsautorin beäugt.
    »Ich ziehe mich um und muss dringend etwas Kaltes trinken. Mögen Sie auch eine Apfelschorle?«, schlägt sie verlegen vor.
    »Ja, gerne.«
     
    »Warum ausgerechnet Bauchtanz?«, fragt Anne, als sie sich gegenübersitzen. Sie hofft, Tomke merkt ihr nicht an, dass sie mit orientalischer Musik und dem Bauch- und Busengewackel wenig anfangen kann.
    »Warum nicht? Ich hatte Kreuzschmerzen und musste etwas unternehmen. Bauchtanz fand ich spannender als Rückenschule.«
    Anne nickt höflich.
    »Außerdem«, fügt Tomke augenzwinkernd hinzu, »produziert der Körper dabei Hormone.«
    Genau das wird sie ihrer Tochter das nächste Mal unter die Nase reiben. Sie wird statt zum Arzt wieder regelmäßig zum Bauchtanztraining gehen.
    »Hormone?«, wiederholt Anne perplex.
    »Ja, da staunen Sie, nicht wahr? Die Hormonproduktion wird durch die kreisenden Bewegungen des Unterleibs angeregt.«
    »Dann wäre Bauchtanz nichts für mich«, rutscht es Anne heraus.
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich mit einem zusätzlichen Hormonangebot nichts anfangen könnte.«
    Tomke prustet in ihr Glas. »Sehen Sie, so viel trockenen Humor hätte ich Ihnen wiederum nicht zugetraut.«
    Anne ringt sich ein verkrampftes Lächeln ab und fixiert die aufsteigenden Luftperlen in ihrer Apfelschorle. Soll Frau Heinrich ihre Antwort getrost für eine humoristische Einlage halten. Sie würde nicht nachempfinden können, dass es bitterernst gemeint ist. Niemand kann das. Sie ja selbst nicht. Der Schock, wie aphrodisierend der Klang der Männerstimme in der Bücherinsel auf sie gewirkt hat, sitzt ihr noch in den Knochen. Genauer gesagt im Unterleib. Um ihr Blut wieder zu beruhigen, ist sie einen Umweg gelaufen. Einen ausgedehnten. Davon ist sie allerdings nur ins Schwitzen gekommen. Die Sehnsucht nach einer Umarmung ist geblieben. Anne schaut hoch und begegnet Tomkes abwartendem Blick.
    »Ich lebe mit meiner Tochter allein«, erklärt sie ihr, als wäre sie ihr eine Erklärung schuldig.
    Tomke nickt und in ihren grünen Augen leuchten kleine Feuer des Verstehens.
    »Ich – ich hänge noch immer an ihrem Vater«, fügt Anne leise hinzu.
    Tomkes Gesicht wird immer weicher. »Ja, so was kann manchmal dauern. Wie lange leben Sie denn schon getrennt?«
    Anne zögert. Soll sie einfach lügen? Ein Jahr oder ein paar Monate sagen. Für so einen Zeitraum würde sie weiter dieses herzliche Verständnis genießen können.
    »Über vierzehn Jahre«, antwortet sie heiser.
    Tomkes Augenfarbe verdunkelt sich. Ihr Mund klappt mehrmals auf und zu, als versuche er angestrengt, nach Worten zu fischen. Endlich stammelt sie betreten: »Vierzehn? Und – und Sie lieben ihn immer noch?«
    »Ja.«
    Tomke greift nach ihrem Glas und trinkt ein paar Schlucke. Sie

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