Die Pension am Deich: Frauenroman
du mit jeder – wie sagt man bei euch – Klientin so viel Zeit wie mit mir? Es musste doch nach drei Tagen klar gewesen sein, dass ich brav in der KITA arbeite, nachmittags segle und abends wieder im trauten Heim lande. Wann hätte ich dann noch einen Freier bedienen sollen?« Die Worte sprudeln wütend aus Monika heraus. Sie ist kurz vorm Heulen. Sie hat die ganze Zeit geglaubt, Frank zu betrügen. Hat mit sich gekämpft. Das schlechte Gewissen hat sie nicht schlafen lassen. Dabei ist sie gleich von beiden Männern verschaukelt worden.
»Du hättest mich gleich nach unserer ersten Stunde fragen können, was ich für eine – für eine Nummer nehme. Warum hast du dir so viel Zeit gelassen?«
Erik lacht leise und Monika verspürt das dringende Bedürfnis, ihm durch das Telefon mitten ins Gesicht zu schlagen.
»Du hast recht. Dein Mann war auch sehr ungeduldig, aber ich …«
»Was!«
»Mir fehlte wirklich noch die praktische Prüfung für den Segelschein und – ich habe mich nach der ersten Stunde in dich verliebt.«
Stille.
»Monika, ich meine das ernst. Ich habe mich in dich verliebt.«
»Verliebt, ja? Und gleichzeitig weiter den Auftrag meines Mannes ausgeführt.«
»Das war ein großer Fehler«, gibt Erik zerknirscht zu.
»Ja, das war es«, stimmt ihm Monika bitterböse zu. »Und nicht der einzige. Warum noch diese Schmierenkomödie zum Schluss? Warum hast du mir Geld angeboten? Ich werde es dir sagen: Du hast mir auch nicht getraut. Du warst dir ebenfalls nicht sicher! Von wegen verliebt!«
»Nein, warte. Ich möchte dir …«
»Und Frank? Er war zufrieden mit dem Ergebnis, denke ich mal. Seine Frau lässt sich nicht für Geld vögeln.«
»Bitte, Monika, diese vulgäre Art passt doch überhaupt nicht zu dir!«
»Ach nein? Welche passt denn? Egal. Brauchst nicht zu antworten. Dein Auftrag ist erledigt. Du hast herausgefunden, dass ich eine treue Ehegattin bin und nicht heimlich die Haushaltskasse auffülle. Dafür bin ich belohnt worden. Frank ist mit mir an die Nordsee gefahren. Alles wieder gut. Danke!«
Monika kann nicht verhindern, dass sie die letzten Worte wieder herausbrüllt. Dabei bemerkt sie nicht, wie ein vorbeigehendes Pärchen ihr peinlich berührte Blick zuwirft. Es wäre ihr auch egal gewesen.
»Ein Wunder, dass Frank mein Nein zu deinem Angebot beruhigt hat. Wer weiß, vielleicht gehe ich doch auf den Strich und war an dem Tag nur nicht einsatzbereit.«
»Monika, hör auf.«
Sie schnaubt wie ein wildes Pferd die Luft durch die Nase aus, aber sie schweigt.
»Du hast recht«, gibt Erik leise zu. »Eigentlich hätte Frank die Bestätigung von mir nicht mehr gebraucht und sie hätte ihm vielleicht nicht gereicht. Aber er hat mich am gleichen Abend, nachdem ich dir Geld angeboten hatte, angerufen. Er war vor Freude völlig aus dem Häuschen. Ein weiterer Brief wäre angekommen. Dieses Mal von der Polizei. Du solltest dich auf der Dienststelle melden. Wahrscheinlich sind deine Personalien missbraucht worden. Leider kein Einzelfall. Dir muss irgendwo für kurze Zeit dein Personalausweis geklaut worden, rasch kopiert und dir dann wieder zugesteckt worden sein. Du wirst es überhaupt nicht bemerkt haben. Deine Daten sind dann mit einem anderen Foto versehen worden. Voila. Aufgedeckt hat es letztendlich dieser verliebte Freier. Er hat vergeblich auf eine Antwort von dir gewartet. Da ist er einfach persönlich bei euch vorbeigekommen. Erinnerst du dich?«
Monika spürt, wie ihr eine Gänsehaut wächst. Ja, sie kann sich an den schmächtigen Mann genau erinnern. Er stand unter der Straßenlaterne vor ihrem Haus. Sie hat den Müll zur Abfalltonne gebracht. Da hat er sie höflich angesprochen.
»Entschuldigen Sie, bitte. Ich suche eine Frau Habermann. Monika Habermann. Die wohnt doch hier, nicht wahr?«
Monika hat irritiert gelacht: »Die wohnt hier und steht gerade vor Ihnen. Was wollen Sie von mir?«
Der Mann hat sie angestarrt, als sähe er einen Geist. Er war ihr plötzlich unheimlich. Sie hat ihn einfach stehen gelassen. Sie war schon in der Haustür, als er ihr hinterher rief: »Wohnt hier noch eine – jüngere Frau?«
Jana! Was wollte dieser Kerl von ihrer Tochter? Sie war in Marburg. Woher sollte er sie kennen? Monika drehte sich noch einmal um und legte alle aufzubietende Strenge in ihre Stimme: »Nein! Wohnt hier nicht. Und jetzt belästigen Sie mich nicht mehr!«
Sie hat ihn vom Küchenfenster aus beobachtet. Er hat unschlüssig dagestanden und augenscheinlich nachgedacht.
Weitere Kostenlose Bücher