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Die Pension Eva

Die Pension Eva

Titel: Die Pension Eva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Marke.
    »Der Cavaliere zahlt nichts. Das geht aufs Haus«, sagte Signora Flora.
    Von da an ging der Cavaliere, sobald die Bomben fielen, absichtlich aus dem Haus und streifte durch die Straßen, in der Hoffnung, dass eine weitere Bombe das Wunder wiederholen würde, durch das er für eine halbe Stunde wieder zum jungen Mann geworden war. Doch nichts, keine Bombe wollte ihn treffen. Da hatte er den Einfall, sich eine große Taschenlampe zu beschaffen. Wenn der Alarm ertönte und die Flieger kamen, ging er hinaus und schaltete die Taschenlampe ein, in der Hoffnung, auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Kampfpiloten auf sich zu lenken. Doch er lenkte nur die Aufmerksamkeit eines italienischen Soldaten auf sich, der ihn für einen feindlichen Spion hielt und ihn erschoss.
     
    Am ersten Tag ihres zweiwöchigen Aufenthalts in der Pension Eva, es war der siebenundzwanzigste August, erhielt Nadia einen Brief von ihrem Bruder Filippo aus dem Gefängnis in Mailand. Er schrieb, er habe die Wiederaufnahme seines Prozesses erreicht, der zuvor mit seiner Verurteilung zu zwanzig Jahren geendet hatte. Die Chancen stünden gut, dass er nach einem neuen Prozess entlassen werde. Denn er sei unschuldig, wie er immer wieder sagte. Doch dieser Prozess, bei dem ihn einer der besten Rechtsanwälte Mailands verteidigen werde, koste, alles zusammengerechnet, nicht weniger als zehntausendsiebenhundertfünfzig Lire. Und wer habe schon so viel Geld? Könne Ninetta (Nadia war ihr Name in der Pension Eva) ihm vielleicht unter die Arme greifen? Wenn nicht, dann mache es auch nichts. Dann bleibe er eben im Gefängnis.
    Nadia fing an zu weinen: Ihre Ersparnisse beliefen sich auf eintausenddreihundert Lire, und das war nicht annähernd so viel, wie nötig war, um die Prozesskosten zu zahlen.
    In der Nacht konnte sie keinen Schlaf finden. Sie wälzte sich im Bett, weinte und betete zum Herrn Jesus, zur Muttergottes und vor allem zum heiligen Ambrosius. Und sie tat ein Gelübde: Sie würde mit keinem Mann zu ihrem Vergnügen schlafen (aus beruflichen Gründen natürlich schon, aber das war etwas anderes), wenn es ihr vorher nicht gelänge, das nötige Geld aufzutreiben.
    Als Signora Flora am nächsten Morgen sah, dass Nadias Augen gerötet und geschwollen waren und aussahen wie zwei reife Tomaten, nahm sie sie beiseite. Nadia gab ihr Filippos Brief zu lesen. Signora Flora hatte Mitleid mit ihr und versuchte vergebens, sie zu trösten.
    In der zweiten verzweifelten Nacht bekam Nadia, während sie zum heiligen Ambrosius betete, starkes Kopfweh. Sie suchte ihre Tabletten, konnte sie aber nicht finden. Dann erinnerte sie sich, dass sie sie in dem Zimmer vergessen hatte, wo sie am Tag mit den Kunden war. Weil es sehr heiß war, ging sie splitternackt, wie sie war, die Treppe hinunter, öffnete unten im ersten Stock die Tür des Zimmers, schaltete das Licht ein und wäre fast ohnmächtig geworden.
    Auf dem Stuhl saß ein Mönch mit langem Bart, ein schöner junger Mann in weißer Kutte mit schwarzem Überwurf. Doch was sie mehr als alles andere überraschte, war der Umstand, dass der Mönch eine schwarze Hautfarbe hatte.
    »Wie sind Sie hereingekommen?«, fragte das Mädchen ängstlich.
    »Ich kann überallhin«, sagte der Mönch.
    »Was wollen Sie?«, fragte Nadia etwas ruhiger, als sie sah, dass der Mann einfach ruhig dasaß und sie anlächelte.
    Ob Mönch oder nicht, dieser junge Mann war von seltener Schönheit, und von ihm ging eine besondere Herzenswärme aus, wie eine magische Kraft. Obwohl sie Kopfschmerzen hatte und in Gedanken noch bei Filippo war, konnte Nadia sich nicht zurückhalten, zu ihm zu laufen, sich ihm auf den Schoß zu setzen und ihn zu umarmen und zu küssen.
    »Was ich will? Das Gleiche, was die anderen Männer wollen, die zu dir kommen«, sagte der Mönch und starrte ihr auf die Brüste und Schenkel.
    Nadia war, als streichelte er sie langsam mit seinem Blick, wie eine Berührung voller Leidenschaft, sodass ihr die Knie ganz weich wurden.
    »Nein, Sie müssen mich entschuldigen, aber ich kann das … ich kann das nicht«, sagte sie mit Mühe. Und damit er nicht meinte, dass er ihr nicht gefalle, fügte sie hinzu:
    »Zu dieser Stunde darf ich das nicht zulassen. Die Pension ist geschlossen, und wir haben keinen Dienst.«
    »Auch wenn ich dich großzügig entlohne?«
    »Auch dann nicht.«
    »Woher kommst du?«
    »Aus Mailand.«
    »Dann ist dein Schutzpatron der heilige Ambrosius.«
    »Ja.«
    »Und betest du manchmal zu

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