Die Perfekte Braut
sagte?«
Lord Duncan kritzelte seine Unterschrift auf das Papier und tat es beiseite. Nun lag die Vollmacht seiner Tochter zuoberst. Prudence hatte das Gefühl, das Papier starre ihren Vater finster an und versuche seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Max«, sagte sie. »Die beiden dinierten gestern in der Downing Street. Der Premierminister hat ihm einen Kabinettsposten angeboten.«
Ihr Vater blickte auf. »Großartig«, erklärte er. »Wusste ja immer, dass er es noch weit bringen wird. Constance hat eine gute Wahl getroffen. Transportwesen, sagtest du?« Dabei kritzelte er seine Unterschrift auf Prudences Vollmacht.
»Ja«, sagte Chastity und trat an den Tisch. Sie beugte sich vor und schob die signierten Papiere auf die Seite, wobei sie die Vollmacht in dem Stapel verschwinden ließ. »Constance scherzte, dass er das Schatzamt oder das Home Office vorgezogen hätte, aber natürlich ist er sehr erfreut.« Sie strich die übrigen Papiere für ihn glatt. »Nur noch ein paar.«
»Ach ja.« Er widmete sich wieder seiner Tätigkeit. »Heute gibt es etwas zu feiern. Wie wär's mit einer Flasche Coburn, zwanziger Jahrgang, Prudence? Jenkins soll eine bringen .« »Ja, Vater.« Prudence ging mit weichen Knien und feuchten Händen zur Tür. »Ich glaube, es ist nur mehr eine Flasche da.«
Ihr Vater seufzte übertrieben. »Immer das Gleiche. Wenn ich etwas Besonderes möchte, ist immer nur eine Flasche übrig... wenn überhaupt. Macht nichts. Bring sie trotzdem. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass mein Schwiegersohn einen Kabinettsposten kriegt.«
Prudence ging aus der Bibliothek und blieb in der Halle an die geschlossene Tür gelehnt stehen. So wartete sie ab, bis ihr Herz sich beruhigte. Als das verräterische Papier offen dagelegen hatte, war sie auf ihrem Sitz wie erstarrt. Doch nun war alles erledigt... vorbei. Sie dankte dem Himmel für Chastitys rasche Reaktion. Jetzt musste sie nur noch Mr. Fitchley in der Hoare's Bank am Piccadilly aufsuchen. Dort musste es etwas geben. Es musste.
11
»So.« Prudence drückte das Siegel ihrs Vaters in das weiche Wachs auf dem Umschlag mit der Bankvollmacht. Sie blickte aus dem Fenster der Bibliothek. Der Tag war noch nicht angebrochen, und in dem stillen Haus waren nur sie und Chastity wach. Lord Duncan schnarchte geräuschvoll nach einem langen Bridge-Abend und ansehnlichen Mengen Coburn, Jahrgang 1820.
»Gehen wir wieder zu Bett«, schlug Chastity vor und zog ihren Morgenrock straffer um sich.
»Geh nur. Ich bin jetzt hellwach«, sagte ihre Schwester und tat das Siegel wieder ins Schubfach. »Ich brühe mir Tee auf und lese ein wenig. Ich muss mich ohnehin zurechtmachen, damit ich um halb neun aus dem Haus gehen kann.«
»Es ist noch nicht sechs«, wandte ihre Schwester gähnend ein. »Wir sehen uns dann beim Frühstück.«
»Um acht«, sagte Prudence und schob das Fach behutsam zu. Sie blickte um sich, denn sie wollte sich vergewissern, dass auch alles an seinem Platz war, dann löschte sie die Gaslampe und folgte ihrer Schwester.
Im Haus am Pall Mall Place war Gideon ebenfalls schon im Morgengrauen auf den Beinen. Er schlief selten mehr als ein paar Stunden und stellte fest, dass er nun wacher war als sonst. Prudence Duncan wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen. Er fühlte sich von ihr herausgefordert, als sei sie ein Fall, den es zu gewinnen galt. Er hatte sie am Tag zuvor nicht gesehen, hatte aber ununterbrochen an sie gedacht... oder vielmehr, korrigierte er sich rasch, an den Fall und ihre Rolle darin. Zu seinem Beruf als Verteidiger gehörte es, Zeugen zu instruieren. Und da Prudence Duncan die einzige Zeugin war, die ihm zur Verfügung stand, konnte er sich kerne Fehler erlauben.
Er ließ heißes Wasser ins Becken im Bad einlaufen und machte sich an seine Rasur. Während er sein Gesicht mit langsamen Kreisbewegungen einschäumte, dachte er an den Plan, den er sich zurechtgelegt hatte. Er hatte beschlossen, dass ihre nächste Zusammenkunft in einer anderen Umgebung stattfinden sollte, weit weg vom nüchternen Ambiente der Kanzlei samt ihren juristischen Folianten. Auch die Bibliothek in seinem Haus erinnerte an ein Büro. Er wollte sehen, wie Prudence sich gab, wenn sie entspannt und in geselliger Stimmung war.
Er zog sein Rasiermesser durch den Schaum und sah sein Spiegelbild mit gerunzelter Stirn an. Er wollte sie überrumpeln. Würde sie eine bessere Zeugin abgeben, wenn sie nicht in der Defensive war, nicht kämpferisch, nicht herausfordernd? Er
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