Die Perlenzüchterin
sie einfache Mahlzeiten zubereiten und Tee kochen konnte, ohne in den Speiseraum zu müssen. Dave hatte seit ihrem ersten Besuch einige Verschönerungen und Reparaturen vorgenommen.
Sie ging zu einem der Schuppen, in dem mehrere Taucher sich mit Vivian, der neuen Operateurin, ein Drahtgestell mit Austern ansahen, denen Kerne eingesetzt worden waren. Mit ihren gut dreißig Jahren war Vivian außerordentlich erfahren. Sie hatte ihre Kenntnisse in Japan erworben, zunächst auf verschiedenen Farmen in Broome und später mit Tim in Indonesien gearbeitet.
Dave reagierte überrascht, als er Lily erblickte. Sie hatte den Eindruck, irgendwo hineingeplatzt zu sein. »Hallo, Partner«, sagte Dave schließlich. »Ich wusste gar nicht, dass Sie schon hier sind.« Mit ausgestrecktem Arm präsentierte er Lily den Mitarbeitern. »Das ist euer neuer Boss. Besser gesagt, eine von ihnen. Jetzt habt ihr armen Schweine drei von der Sorte.«
»Hallo allerseits. Wie läuft’s?«
Ein peinliches Schweigen entstand. »Gut, wirklich gut, danke«, sagte einer der Taucher schließlich.
Bisher hatte Lily sich hauptsächlich auf die Rechnungsbücher konzentriert. Sie wusste jedoch, wie ungeheuer wichtig eine gute Beziehung zu den Arbeitern war. Interessiert fragte sie nach der täglichen Arbeit und den Einzelheiten des Kerneinsetzens, das gerade stattfand. Schließlich gewannen aber der salzige Meeresgeruch und ihre innere Anspannung die Oberhand. Sie fühlte sich leicht wackelig auf den Beinen und war erfreut, als Dave ihren Arm nahm.
»Kommen Sie, die Leute hier wissen, wofür sie bezahlt werden.« Er führte sie hinaus in das helle Sonnenlicht und die leichte Brise. »Gut, dass Sie den ganzen juristischen Kram da unten im Süden erledigt haben. Vielen Dank. Möchten Sie was Kaltes trinken?«
»Ich hatte gerade einen Tee. Wollen wir nicht heute Abend eine nette, ruhige Feier abhalten? Tim hat vorgeschlagen, dass wir uns gegen fünf bei mir treffen.«
»Stimmt irgendwas nicht?«, fragte Dave, der die Anspannung in ihrer Stimme hörte.
»Ich habe gerade eine schlechte Nachricht bekommen. Pauline – Sie wissen doch, die Schmuckdesignerin in Broome – wurde überfallen. Eine üble Geschichte.« Nun war es an Lily, die Geschichte in allen Einzelheiten zu erzählen. »Das ist alles, was man weiß. Wenn Sie wieder bei Bewusstsein ist, erfahren wir sicherlich mehr. Ich rufe jetzt mal im Krankenhaus an.«
Die Stationsschwester sagte ihr, Pauline schlafe tief und fest. Sie werde Lilys Nachricht ausrichten. Danach probierte Lily es bei Sami, kam jedoch nicht durch, deshalb rief sie Rosie in der Galerie an.
»Ja, ja, wir wissen es schon«, rief Rosie. »Schrecklich. Ich war bei ihr. Sie wird wieder gesund, aber es geht bestimmt nicht spurlos an ihr vorüber. Der Arzt meint, sie sollte nach Perth fliegen, um eine Weile hier rauszukommen.«
»Das ist wahrscheinlich eine gute Idee. Was hat sie für Verletzungen?«
»Sie hat einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen. Aber es ist alles ein bisschen mysteriös. Pauline sagt, sie hat an ihrem Schreibtisch gearbeitet, und plötzlich hätte jemand von hinten nach ihr gegriffen. Dann muss sie den Schlag auf den Kopf bekommen haben. Der Kerl hatte eine Maske und Handschuhe an, und er hatte ein Messer. Er hat kein Wort gesagt. Deine Freunde Ross und Palmer sind hier und kauen alles durch.«
»Könnte ich Ross sprechen, Rosie? Und gibt’s was Neues von Sami?«
»Ja, sie kam nicht zu dir durch. Sie hat angerufen, um nach Rakka zu fragen. Da wussten wir noch nicht, was Pauline passiert war. Sami geht es gut, sie war auf einer Farm am Rand der Great Sandy Desert, bei Freunden von Farouz. Alles ist prima gelaufen. Ehrlich gesagt, sie klang ziemlich begeistert!«
»Gott sei Dank.«
»Pass auf dich auf, Lily. Ich gebe dir jetzt Ross.«
»Hallo, Lily! Ich bin wieder da – für immer! Ich wollte auch schon bei Ihnen anklingeln.«
»Das ist ja eine wunderbare Neuigkeit, Ross! Sie werden es bestimmt nicht bereuen. Und was halten Sie von dieser grässlichen Sache? Aus professioneller Sicht, meine ich.«
»Ich will mich nicht in die Ermittlungen der Cops hier einmischen, aber ich habe mit Palmer drüber gesprochen, und ihm sind da ein paar Ideen gekommen.«
»Und was denkt unser Professor Geistreich darüber?«
»Ich reiche Sie gleich weiter. Lily, ich bin demnächst bei Ihnen in der Gegend, ich will mich nämlich mal mit Schwester Angelica unterhalten. Was dagegen, wenn ich bei Ihnen
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