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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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durch die Blüte der Wüstenrose gerät die Liebe von Leila und Madschnun nie in Vergessenheit.
    »Oh, wie traurig, und was für eine schöne Geschichte«, seufzte Sami.
    »Der Baum und die Geschichte sind da auf deiner Teppichtasche«, sagte Gussie, der eine Träne über die Wange lief.
    Leila zerdrückte die rote Blüte in ihren Händen. »Wie Madschnun habe auch ich meine Lieben verloren.«
    Sami spürte, wie ihr Herz Leila zuflog. Instinktiv legte sie ihr einen Arm um die Schultern und lehnte ihren Kopf an Leilas. So verharrten sie ein Weilchen. Leila ließ zu, dass Sami sie zu trösten versuchte. Aber Sami war unsicher, was sie angesichts dieser furchtbaren Tatsache sagen sollte.
    »Geschichten sind Wege, die Wahrheit zu sagen«, meinte Gussie und brach damit das Schweigen. »Seht ihr, da hinten, an dem kleinen Sandhügel, der dicke Felsen da, das ist ’ne Traumzeitgeschichte. Darüber, wie der hierher kommt. Wir erzählen ihre Geschichten, und sie bleiben lebendig, kapiert ihr?«
    Gussie ging die anderen Frauen suchen. Sami und Leila machten sich schweigend auf den Rückweg zur Siedlung. Plötzlich huschte ihnen eine Rotschopftaube vor die Füße, deren Kopf im Rhythmus ihres komischen Watschelgangs ruckte. Sie gab ein erschrockenes »kuu« von sich und flog davon. Sami lächelte. In der vergangenen Woche hatte sie so etwas oft erlebt; sie begegnete der Natur hier in einer neuen Intensität. Es war, dachte sie, als entdeckte man etwas Spirituelles, das die eigene Sicht auf die Welt um einen herum völlig umkrempelte. Die Traumzeitgeschichten bezogen sich auf so viele Dinge, die sie hier erlebt hatte. Sie stellten ein bedeutsames kulturelles Erbe dar, das auch ihr gehörte. Genau wie die Geschichte, die sich hinter der afghanischen Wüstenrose verbarg, ein Teil von Leilas Erbe war.
     
    Bobby rief Lily an, sobald er wieder in Broome war. Von Farouz richtete er ihr aus, dass Sami die Gesellschaft der Künstlerinnen genieße. Lily war dankbar, denn sie hatte nichts von Sami gehört, seit diese sich in die Wüste aufgemacht hatte.
    »Hast du eine Ahnung, wann sie zurückkommt?«
    »Farouz meinte, sie würde noch ein paar Tage da draußen brauchen. Wir sind gestern Abend spät zurückgekommen.«
    »Sie fährt allein durch die Wüste zurück?« Lily war ebenso überrascht wie beeindruckt.
    »Ja. Farouz macht sich deswegen keine Sorgen. Er hat gesagt, Sami bekommt die Rückfahrt problemlos hin. Es ist nicht gerade eine Autobahn, aber sie ist die Strecke ja schon einmal gefahren.«
    »Bestimmt ruft sie mich an, wenn sie wieder näher an der Zivilisation dran ist. Was machst du jetzt, Bobby?«
    »Ich dachte, wenn ich meinen Onkel im Dorf gesehen habe, könnte ich zu dir hochfahren?«
    »Prima, komm vorbei! Bleib ein Weilchen, wenn du magst. Warte, hast du Lust, Mika mitzubringen? Sie möchte sich die Farm ansehen.«
    »Ja, gute Idee. Es wäre schön, sie auf der Fahrt dabeizuhaben«, sagte Bobby, dankbar für Lilys Vorschlag. »Soll ich dir irgendwas mitbringen?«
    »Hm, ein paar Zeitungen, damit ich auf dem Laufenden bleibe. Und ein bisschen Salat und frisches Gemüse käme nicht ungelegen.«
    »Okay. Übermorgen sind wir da, es sei denn, Mika hat andere Pläne.«
    »Bis dahin, Bobby.« Lily machte sich im Geiste eine Notiz, für Mika eine Unterkunft vorzubereiten. Bobby konnte bei den Jungs schlafen. Sie wandte sich wieder Daves Tabellen und Aufzeichnungen zu. Er hatte darin vermerkt, wann welcher Partie Muscheln Kerne eingesetzt worden waren, und wann man sie umgedreht hatte, damit sich der Perlensack gleichmäßig ausbildete. Sie wollte auch überprüfen, ob die Muscheln in sämtlichen Abschnitten planmäßig gereinigt worden waren.
    Sie hofften, dass sie an der Stelle vor den Lacepedes wilde Muscheln von guter Qualität finden würden. Allerdings lag die Obergrenze ihrer Ernte bei zehntausend, bis sie expandierten und »sich bewährten«, wie der Mann von der Fischereibehörde erklärt hatte. Viele große Farmen arbeiteten sehr erfolgreich mit der Aufzucht von Muschellaich in Brutanstalten. Die noch kleinen Muscheln wurden dann ins offene Meer gebracht. Dort wuchsen sie, bis sie die richtige Größe hatten, um ihnen Kerne einzusetzen. Vielleicht sollten sie mit einer dieser Brutanstalten zusammenarbeiten, dachte sie. Verschiedene Perlenfarmen taten das bereits. Eine ehrgeizige Idee, die man aber erst mit den Investoren besprechen musste.
    Lily drehte ihren Stift zwischen den Fingern und sah aus dem Fenster auf den

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