Die Perlenzüchterin
musste lachen.
Er lächelte. »In diesem Fall genehmige ich mir lieber noch was von dem edlen Tröpfchen.« Er ging zum Kühlschrank.
Sie beobachtete, wie er eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank holte.
Dann fragte sie: »Ted, sind Sie nie deprimiert? Fallen in ein Loch, fragen sich, was Sie mit Ihrem Leben tun? Sie wirken so ungezwungen und ausgeglichen. Immer lächeln sie. Wie machen Sie das?«
»Wissen Sie was? Ihre Tochter hat mich das auch gefragt. Und ich habe ihr gesagt, dass ich natürlich auch schlechte Phasen habe. Die verstecke ich hinter Witzen, Gedichten und Musik.«
»Zählt der Dudelsack als Musik?«, fragte Lily ironisch.
»Eigentlich spiele ich besser Klavier als Dudelsack. Aber ich kann schlecht ein Klavier mit mir rumschleppen.«
»Sie stecken voller Überraschungen, Ted. Und kennen keine Reue, wie’s scheint.«
»Ach, das würde ich nicht sagen. Wir alle wünschen uns doch, dass manche Dinge anders wären.«
»Mögen Sie mir erzählen, welche Dinge das für Sie sind?« Lily hatte ihn bisher nicht näher nach seinem Privatleben gefragt. Während der gemeinsamen Zeit in Perth hatten sie über Gott und die Welt gesprochen, aber nicht über Persönliches. Er war einfach ein amüsanter, interessanter und anregender Gesellschafter gewesen.
»Ach, das Übliche. Ich wünschte, meine Ehe hätte funktioniert, wir waren zu jung und entwickelten uns ganz anders. Ich wünschte, ich hätte Kinder gehabt.«
»Sami hat mir gesagt, Sie inspirieren viele junge Leute.«
Sein Gesichtsausdruck wurde ganz weich. »Ja, das ist eine lohnende Sache, diese gescheiten Köpfe zu motivieren. Ich mache meine Arbeit gern, deshalb freue ich mich, wenn meine Studenten motiviert sind und meine Begeisterung teilen. Ich liebe diese Region, sie ist wichtig.« Er reichte ihr ein Glas Wein. »Jedes Mal, wenn ich in die Kimberleys komme, entdecke ich etwas Neues und Besonderes. Ganz abgesehen davon, dass ich jedes Mal überwältigt bin, wie kostbar diese Gegend ist.«
»Sie meinen die Felsbilder, die Landschaft?«, fragte Lily.
»Das gehört dazu, aber es geht viel tiefer. Die Kimberley-Region ist ein riesiges Energiedepot: künstlerisch, spirituell, metaphysisch, kulturell – nennen Sie es, wie Sie wollen. Ganz zu schweigen von den besterhaltenen präkambrischen Landschaften, einer wahren Schatztruhe.«
»Mineralien, Diamanten, bewässerte Farmen, Weideland.«
»Sicher. Das Land schafft viele reale Dinge, Ihre Farm zum Beispiel. Aber es ist weit mehr als das. Dieses Land birgt eine Lebensessenz. Wenn man darauf eingestimmt ist, spürt man nach einer Weile seine Kraft und Schönheit und bekommt eine Vorstellung davon, welche Macht und Bedeutung es für die Ureinwohner hat. Es ist Ehrfurcht gebietend. Manchmal sehe ich Felsformationen, eine spektakuläre Landschaft, Wasserfälle und Schluchten, oder auch nur einen Tümpel mit Seerosen, und kann gar nicht fassen, dass das real ist. Kein Wunder, dass die Traumzeit in den Kimberleys so lebendig ist. Da draußen, bei den Leuten, die Sami besucht hat, findet der Dialog mit der Erde noch statt.«
Er brach ab und nahm einen Schluck Wein. Als Lily nichts sagte, fügte er hinzu: »Ich vermute, das klingt alles ein bisschen wie eine Aufwärmübung für eine Vorlesung.«
»Nein, Ted. Ich verstehe, was Sie meinen. Es kommt vor – und das gar nicht mal so selten –, da spüre ich auch, was Sie beschrieben haben. Immer, wenn ich mit meiner Aborigine-Familie in Frauenangelegenheiten unterwegs bin, erhasche ich einen Blick auf diese Welt. Aber ich bin eher eine Küstenbewohnerin«, sagte sie. »Dieses ungeheure Landesinnere, diese riesigen leeren Räume … sie machen mir Angst.«
»Sie sind noch nicht über das Mitchell Plateau gewandert, oder über die Cockburn Range, im Tunnel Creek …« Er hob die Hand. »Unendlich faszinierend. Ich wünsche mir oft, das festhalten zu können.«
»Fotografisch?«
»Nicht sinnlich genug. Malerei oder Bildhauerei sind offenbar besser geeignet. Auch die Musik, die Traumzeitlieder und –tänze. Man will es einfach anfassen. Ich muss gestehen, ich bin auf die Knie gefallen und habe mit den Händen im Staub gewühlt, meine Wange an einen Fels gelegt, meine Ohren an einen Baumstamm.« Er lächelte verlegen. »So ein Land ist das eben.«
»Ich muss da auch mal hin.« Lily stellte sich vor, die Kimberleys zusammen mit Palmers Augen zu betrachten. Er wäre der ideale Führer; er wusste so viel und so Verschiedenes über diese Region. Vor
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