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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Büschen ein tiefes Plumpsklo – ein Loch im Boden, über dem auf Baumstümpfen ein alter Toilettensitz aus Plastik balancierte. Das Klo war an drei Seiten durch Sackleinen abgeschirmt, das man an Büschen befestigt hatte. Die vierte Seite blieb offen und bot einen großartigen Ausblick auf die nahen Bergketten.
    Als Sami am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich für eine Nacht auf dem Boden erstaunlich erfrischt. Goonamulli lag noch in sein Bettzeug gehüllt, Bridget in ihrem Schlafsack. Gideon war bereits auf, jedoch nirgends zu sehen. Das Feuer war sehr weit heruntergebrannt, von daher vermutete Sami, Gideon sammele Holz. Leise nahm sie ihr Handtuch und ihren Badeanzug und machte sich mit Rakka auf den Weg zum Fluss.
    Das erste Licht des Tages schimmerte perlmuttfarben. Noch lag Tau auf den silberrandigen Blättern und die Luft war frisch, doch sie wusste, mit dem Sonnenaufgang würde die Temperatur rasch steigen.
    Bald traf sie auf Gideon, der in einer Schlinge Holz trug. Er lächelte ihr schüchtern zu. »Platz zum Schwimmen und Waschen da lang.« Er deutete in die Richtung. »Heiliges Wasser da lang. Da geh nicht rein.«
    »Danke, Gideon. Ich helfe dir mit dem Frühstück, sobald ich zurück bin.«
    »Okay.« Er tätschelte Rakka und setzte seinen Weg fort.
    Rakka tollte voran. Sobald sie den klaren, breiten Fluss erblickte, stürzte sie durchs Schilf und platschte ins Wasser. Sami entdeckte ein Seil, das von einem überhängenden Baum herabhing, und einen Baumstamm, der vom Ufer ins seichte Wasser hineinragte. Man konnte bequem darauf sitzen oder davon ins Wasser springen. Sami zog ihren Trainingsanzug aus und ihren Badeanzug an. Dann balancierte sie den Baumstamm entlang. Rakka war weniger vorsichtig. Sie drängelte an Sami vorbei und brachte sie aus dem Gleichgewicht, sodass ihr Frauchen in den Fluss fiel. Sami sog scharf die Luft ein, als sie die plötzliche Kälte spürte. Begeistert von diesem Spiel, sprang Rakka ihr hinterher. Gemeinsam planschten und spielten sie und freuten sich an diesem Augenblick vollständiger Freiheit.
    Sami schwamm ein Stück den Fluss entlang. Sie genoss die Stille. In der Mitte war der Fluss tief, doch sie zog ihn den sumpfigen flachen Gewässern vor, in denen der Boden unter Seerosen verborgen war. Ein Spitzschwanzamadinenpaar flatterte aus den Büschen am Wasserrand zu den Eukalyptusbäumen am Ufer. Mehrere große Felsen ragten aus dem Wasser und bildeten einen seichten Tümpel. Sami schwamm hinein, setzte sich auf einen der Felsen, betrachtete die Landschaft und genoss den morgendlichen Gesang der Vögel.
    Rakka planschte am Ufer. Plötzlich hob sie den Kopf und knurrte. Sie sah zu Sami hin und bellte.
    »Was ist denn, Rakka?« Sami kletterte aus dem Fluss ans Ufer. Da hörte sie ein seltsames Geräusch – ein Gewinsel oder Geheul. Weinte da jemand? Tier oder Kind? Rakka legte den Kopf schräg, unsicher, was der Krach zu bedeuten hatte. Sie standen beide da und lauschten. Da war es wieder, näher und lauter. Diesmal war es unverkennbar. Sami warf Rakka einen ungläubigen Blick zu. Die hatte die Ohren aufgestellt und sah verdutzt drein. Sami lachte plötzlich auf. »Nein, das kann nicht sein. Unmöglich.«
    Doch das Geräusch war eindeutig. Das Heulen eines Dudelsacks, das einen nicht mehr losließ: eine fröhliche Interpretation von »Scotland the Brave«. Der Musikant, ein Weißer, kam durch die Bäume auf sie zu. Er war groß und hager, sicherlich schon über fünfzig, schätzte Sami. Er trug Stiefel, Jeans, ein kariertes Hemd und einen abgetragenen
stockman’s hat
aus Leder – die australische Variante des Cowboyhuts. Unrasiert, die Backen mächtig aufgeblasen, sah er sehr zufrieden mit sich aus.
    Der Anblick der jungen Frau im Badeanzug mit einem tropfnassen Hund schien ihn nicht aus der Fassung zu bringen. Er ging auf sie zu, blieb stehen, beendete den Refrain und nahm das Anblasrohr aus dem Mund. Den Dudelsack unterm Arm nahm er schwungvoll den Hut ab und machte eine Verbeugung. »Morgen, Miss. Irgendwelche besonderen Wünsche?«
    »Ich fürchte, mir fehlen die Worte.« Umso mehr, als sie ihn jetzt richtig sehen konnte: Der Mann sah Robert Redford in
Jenseits von Afrika
verblüffend ähnlich, bis hin zu den blauen Augen und dem leicht schiefen Lächeln.
    »Machen Sie sich nichts draus. Ich bin Ted Palmer, und Sie müssen unsere verehrte Doktorandin sein – ›Heilige Botschaften in der Stammeskunst: Eine Neuinterpretation religiöser Ausdrucksformen in

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