Die Perserinnen - Babylon 323
hinüber. Obwohl ein
König stets mehrere Gemahlinnen hatte, war es doch ziemlich exzentrisch, zwei
am gleichen Tag zu heiraten, und Paruschjati fragte sich, wie wohl die
Hochzeitsnacht organisiert würde. Der Gedanke ließ ein hysterisches Kichern in
ihr aufsteigen, das sie verzweifelt zu unterdrücken versuchte. Also
konzentrierte sie sich wieder auf die Priester und Magier, die noch immer die
Runde machten.
Und dann, als ihr Blick durch das Zelt wanderte, fiel ihr
etwas Seltsames auf: Auf kaum einem Gesicht war etwas wie Glück zu erahnen,
nicht bei den Bräuten und nicht bei den Bräutigamen. Stattdessen hing eine
Anspannung im Raum, die weder zu dem festlichen Anlass noch zu der glanzvollen
Umgebung passte. Ehe sie es verhindern konnte, fiel Paruschjatis Blick doch
noch auf Hephaistion. Er hielt noch immer Drupatis Hand in der seinen, aber
seine Augen waren nicht auf seine Braut gerichtet. Er blickte zum König, und
obwohl in seinen Zügen nichts zu lesen war, empfing Paruschjati von ihm ein
starkes Gefühl der Beunruhigung.
Als Paruschjati verstohlen den König von der Seite musterte,
bemerkte sie etwas noch Seltsameres. Sein Blick verfolgte die scheinbar kein
Ende nehmen wollende Zeremonie und fixierte dabei besonders die Bräutigame. Auf
seinem Gesicht lag die gleiche Anspannung, die auf dem ganzen Fest lastete. Sein
Blick war hart. Es war der Blick eines Soldaten, der auf dem Schlachtfeld die
Frontlinie seiner Feinde abschätzt.
Babylon, 26. Daisios
„Wie konntest du so leichtsinnig sein?“ Frataguna schüttelte
den Kopf. „Mitten in der Nacht und praktisch allein durch den Palast zu
schleichen? Ganz abgesehen davon, dass ein solches Verhalten weit unter deiner
Würde ist – es war auch noch gefährlich! Du hättest tot sein können!“
Auch Aspamithra war außer sich gewesen, als Paruschjati,
Ischna und Farnakia mitten in der Nacht hereingestolpert kamen, den
blutüberströmten Artaschura im Schlepp. Natürlich hatte er nichts Eiligeres zu
tun gehabt, als Vidarna und Frataguna zu alarmieren, die ihrerseits Hals über
Kopf in den Palast gestürzt waren, offenbar nur, um Paruschjati mit Vorwürfen
zu überschütten.
„Wie konnte diese Kreatur es wagen!“ Vidarna lief schon seit
geraumer Zeit wie ein wütender Löwe auf und ab und erging sich in wüsten
Beschimpfungen gegen Thais. „Eine Person von niedrigster Herkunft und obendrein
noch eine Hure – sie wagt es, ihre Hand gegen die Gemahlin des Königs zu
erheben! Du musst sie sofort hart bestrafen lassen. Früher gab es
Hinrichtungsarten, die ...“
„So einfach geht das nicht“, unterbrach ihn Paruschjati und
drückte ein feuchtes Tuch gegen ihre pochende Schläfe. „Thais nicht einfach
bestrafen lassen. Sie hat einflussreiche Gönner. Ich müsste sie öffentlich
anklagen, und das ist das Letzte, was ich will. Je weniger von dem Vorfall an
die Öffentlichkeit dringt, umso besser für mich.“
„Ein ungeheuerlicher Skandal!“, ereiferte sich Vidarna
weiter. „Früher, zur Zeit der Großkönige, wäre so etwas nicht vorgekommen. Und
was soll man von diesen Verschwörern halten – Angra Mainyu fresse ihre Gedärme!
Schleichen nachts durch den Palast und versuchen, dich in ihre haarsträubenden
Intrigen hineinzuziehen! Diese Hinterwäldler! Sie pfeifen auf den Westen und
träumen davon, im Osten ein neues Reich zu gründen. Glauben sie wirklich, wenn
sie nur die Augen fest zumachen, werden die Fremden einfach so verschwinden, und
sie können den Glanz der Großkönige in ihren Steppen wieder aufleben lassen?“
„Könnte es sein, dass Atarepata damit zu tun hat?“, fragte
Frataguna.
Paruschjati schüttelte den Kopf, aber ganz vorsichtig, weil
er immer noch entsetzlich wehtat. „Das glaube ich nicht. Er wäre über Gambija
an mich herangetreten, nicht über Apama.“
„Und er hätte offen gehandelt und nicht eine Handvoll
vermummter Verschwörer vorgeschickt“, schimpfte Vidarna. „Wofür halten sie
sich? Für die Retter des Reichs? Als ob wir auf sie gewartet hätten!“
„Vielleicht sollte Paruschjati ihr Angebot trotzdem in
Erwägung ziehen“, sagte Frataguna leise.
„Wie bitte?“ Vidarna sah aus, als habe man ihm einen
Tausendfüßler zum Verzehr angeboten. „Wieso sollte sie Hals über Kopf aus
Babiru fliehen und sich in der baktrischen Einöde verstecken? Soll sie etwa das
Feld Statira und Raukschana überlassen? Paruschjatis Sohn ist der rechtmäßige
Erbe des Königs!“
„Bis jetzt ist gar nicht sicher, dass ich
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