Die Perserinnen - Babylon 323
angeordnet: In der Mitte, in
der unmittelbare Nähe des Königs, befanden sich die makedonischen Offiziere und
die griechischen Würdenträger. Im Kreis um sie herum tafelten die Perser, und
ganz außen folgten die Vertreter der übrigen Völker des Reichs. Doch der Wein
für sie alle wurde aus einem einzigen, mannshohen Mischkrug geschöpft.
„Zuerst sprachen die Magusch und die Jauna-Seher ihren
Segen“, berichtete ein Eunuch der Königinmutter, die am gleichen Abend im
Palast von Opis ein Fest für die Frauen des Hofes gab. „Dann hob der König
seine Schale und sprach ein Gebet. Er betete für Eintracht zwischen Makedonen
und Parsa und bat die Götter um ihren Segen für die gemeinsame Herrschaft
beider Völker.“
Sissingambri erhob sich, und sofort folgten die anderen
Frauen. „Meine Töchter, ihr habt gehört, worum mein Sohn, der König, gebetet
hat. Auch wir Frauen wollen Ahura Mazda, Anahita und die anderen Götter um
Frieden anflehen und um Freundschaft zwischen Makedonen und Parsa. Die meisten
von uns haben in der Vergangenheit großes Leid erfahren, sie haben geliebte
Menschen verloren und Furcht und Schrecken erlebt.“ Die alte Königin hob die
goldene, mit Wein gefüllte Schale, die eine Dienerin ihr gereicht hatte. „Beten
wir nun darum, dass wir das Leben, das vor uns liegt, in Frieden verbringen
dürfen! So wie wir Frauen alle Schwestern sind, so sollen Makedonen und Parsa
Brüder sein.“
Die Königinmutter zog sich bald zurück. Paruschjati ließ
eine kleine Anstandsfrist verstreichen, ehe sie aufstand und sich einen anderen
Platz suchte, möglichst weit weg von Statira und ihrem Anhang und vor allem von
Raukschana. Trotz allem, was die Königinmutter zu sagen pflegte, glaubte sie
nicht, dass die beiden ihr schwesterliche Gefühle entgegenbrachten. Sie hielt
nach ihrer Nichte Gambija Ausschau und entdeckte sie in einer entlegenen Ecke
des Saales, wo sich auch Apama mit ihrer Clique niedergelassen hatte.
„Na, hast du auch das alberne Getue von Statira und ihren
Verehrerinnen satt?“, fragte Apama. Die Frauen rückten ein wenig zusammen, und
Paruschjati quetschte sich neben Gambija. Apama fuhr fort: „Wir reden gerade
über all die frommen Wünsche, die wir heute Abend zu hören bekommen haben.
Keine von uns glaubt auch nur ein Wort davon, nur Gambija scheint anderer Ansicht
zu sein.“
„Frieden und Freundschaft zwischen Makedonen und Parsa“,
sagte Paruschjati. „Was ist daran auszusetzen?“
„Nichts, außer dass es unmöglich ist“, erwiderte Apama
trocken. „Du weißt, dass ich den allergrößten Respekt vor der Königinmutter
habe, aber ich finde sie manchmal ein bisschen weltfremd. Trotz all dem
Schrecklichen, das sie erlebt hat, glaubt sie immer noch an das Gute in den
Menschen. Dieses sogenannte Versöhnungsfest ist eine Farce.“
„Warum sagst du das? Vielleicht ist es dem König ernst mit
seinem Gebet. Vielleicht will er uns Parsa tatsächlich einen gleichberechtigten
Anteil an der Herrschaft einräumen.“
„Gleichberechtigt? Du hast doch gehört, was der Eunuch
berichtet hat. Warum sitzen die Makedonen um den König herum in der Mitte und die
Parsa weiter außen?“
„Vielleicht nicht ganz gleichberechtigt“, wandte
Gambija zaghaft ein, „aber ein bisschen. Immerhin haben die Makedonen uns
besiegt. Normalerweise lässt kein Sieger freiwillig den Besiegten einen Anteil
an der Herrschaft, und sei er noch so klein.“
„Ach, und deshalb müssen wir dankbar sein?“, fragte Apama
beißend. „Ein bisschen gleichberechtigt gibt es nicht. Entweder man ist
es oder man ist es nicht. Aber in einem hast du recht: Wir Parsa sind die
Besiegten. Die Makedonen hassen uns, egal wie viele Gebete der König spricht,
und wir hassen sie ebenso.“
„Heute ist das vielleicht so“, mischte sich Paruschjati ein.
„Aber die Zeit vergeht, und die Menschen ändern sich. Die Kinder der Eroberer
werden zugleich unsere Kinder sein, und ihre Enkel unsere eigenen. Eines Tages
wird man keinen Unterschied mehr erkennen zwischen ihnen und uns.“
Gambija setzte hinzu: „Ich glaube, das ist es, was der König
mit den vielen Hochzeiten in Schuscha bezweckt hat, nicht wahr, Paruschjati?“
„Wie kann man nur so naiv sein!“, schimpfte Apama. „Die
Fremden haben unsere Heimat überfallen, unsere Häuser niedergebrannt und unsere
Väter und Brüder getötet. Wir Frauen sind in ihren Augen nichts weiter als
Kriegsbeute, die unter die Sieger verteilt wird wie Pferde oder
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