Die Perserinnen - Babylon 323
Goldpokale.“
„Das ist nicht wahr!“, rief Gambija. „Wir sind mit Respekt
behandelt worden. Keine von uns wurde vergewaltigt oder als Sklavin verkauft.
Wir sind nicht einmal Konkubinen, sondern rechtmäßige Ehefrauen.“
„Sieh dich doch um!“ Apama lief allmählich rot an vor
Verärgerung. „Wie viele makedonische Frauen siehst du hier? Keine, und ich kann
dir auch erklären, warum: weil keine einzige Makedonin einen Parsa heiraten
musste. Es war immer nur umgekehrt. Das ist der beste Beweis, dass es keine
wirkliche Gleichberechtigung gibt zwischen ihnen und uns.“
„Ich finde, du bist undankbar“, sagte eine Stimme auf
Griechisch. „Unsere Vorfahren sind mit den Besiegten längst nicht so zimperlich
umgesprungen. Sie haben ihre Frauen zu Konkubinen oder sogar Sklavinnen gemacht
und ihre Söhne zu Eunuchen.“
Barsine ordnete sorgfältig die Falten ihres griechischen
Chitons, ehe sie sich neben Paruschjati setzte. Dabei ignorierte sie
geflissentlich die ungnädigen Blicke der anderen Frauen, die ihretwegen noch
weiter zusammenrücken mussten; im Kreis war es inzwischen ziemlich eng
geworden. Zum Glück war Barsine ausnahmsweise allein, nicht wie üblich
umschwärmt von ihren Schwestern und Schwägerinnen. Sie griff sich von einem
Teller eine Handvoll Weintrauben.
„Dein Vater war ein baktrischer Rebellenführer“, fuhr sie
fort. „Jahrelang führte er aus dem Hinterhalt Krieg gegen den König. Bis ein
treuloser Verbündeter ihm seinen Kopf schickte und dich als Zugabe gleich mit.
Jeder Großkönig hätte die Tochter eines solchen Aufrührers auf spektakuläre
Weise hinrichten lassen. Oder sie zumindest seinen Soldaten zum Fraß
vorgeworfen. Stattdessen hat der König dich wohlbehalten nach Susa geschickt
und dafür gesorgt, dass du etwas lernst. Seiner Großmut hat du es zu verdanken,
dass du jetzt hier gemütlich im Palast sitzen und große Reden schwingen
kannst.“
Apama war inzwischen krebsrot geworden. „Ich pfeife auf die
Großmut des Königs!“, schrie sie, in bewusstem Gegensatz zu Barsine auf
Persisch. „Für ihn bin ich nichts weiter als eine Geisel, genau wie jede andere
Frau hier im Raum. Niemand hat uns gefragt, ob wir diese Fremden heiraten
wollten. Was ist zum Beispiel mit ihr?“ Apama wies mit dem Kinn auf Amaschtri,
die wie üblich angeregt mit Statira tratschte. „Wenn Krateros mit den Veteranen
nach Westen aufbricht, dann muss sie mit ihm gehen – in ein wildfremdes Land!
Vielleicht wird sie ihre Heimat niemals wiedersehen und für immer in der Fremde
bleiben, wo alle sie hassen und verachten.“
„Wir Frauen werden doch nie gefragt, wenn wir heiraten“,
erwiderte Barsine, wieder auf Griechisch, „und die meisten von uns müssen ihre
Familie und ihre Heimat verlassen. Das ist traurig, aber bei uns Persern nicht
anders als bei den Makedonen. Um Amaschtri mache ich mir keine Sorgen. Schon
als kleines Mädchen hatte sie eine Menge Verstand. Wenn sie sich erst einmal
aus dem Dunstkreis Statiras mit ihrer Hohlköpfigkeit gelöst hat, wird aus ihr
bestimmt einmal eine selbstbewusste Frau. Ich bin sicher, ihr wird es im Westen
gefallen.“
„Du musst das ja sagen“, fauchte Apama. „Du siehst selbst
aus wie eine Jauna! Du trägst ihre Kleidung und sprichst sogar hier unter uns
ihre Sprache. Du und deine Familie, ihr habt keine Zeit verloren, euch auf die
Seite der Sieger zu schlagen.“
„Du hast kein Recht, so etwas zu sagen“, rief Paruschjati.
„Barsine trägt griechische Kleider und spricht Griechisch, weil ihre Mutter
Griechin war. Sie ist in beiden Welten aufgewachsen, in der der Griechen und
der der Perser.“
„Das kannst du dir zurechtlegen, wie du willst. Für mich
bleibt sie trotzdem eine Verräterin.“ Wütend riss Apama dem gebratenen Vogel
auf dem Tablett vor ihr ein Bein ab und biss hinein wie ein Wolf. Für sie war
das Gespräch beendet.
Barsine wischte sich die Finger an dem Tuch ab, das eine
Dienerin ihr reichte, dann stand sie auf und tupfte sich über die verschwitzte
Stirn. „Puh, ich finde es ganz schön heiß hier drinnen. Nicht nur wegen des
Sommers, sondern auch wegen der vielen Hitzköpfe, die hier ihren Muff
absondern. Paruschjati, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Lust auf einen
Spaziergang im Garten hast.“
Froh über die Gelegenheit, Apamas Tiraden zu entkommen,
stand Paruschjati auf und folgte Barsine Richtung Ausgang. Draußen im Garten
war es tatsächlich spürbar kühler.
„Findest du auch, dass ich eine
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