Die Perserinnen - Babylon 323
annähernd so schlimm gewesen waren wie in den Nächten zuvor,
war sie noch vor dem Morgengrauen erwacht, weil ihr sterbenselend war. Nach dem
mittlerweile obligatorischen Abstecher zum Abtritt kauerte sie nun mit
angezogenen Beinen auf dem Bett und hielt sich den Bauch, der von den Krämpfen schmerzte.
„Allmählich bekomme ich Muskelkater vom Kotzen.“
„Kotzen sagt man nicht“, tadelte Mannuja.
Unbeirrt fuhr Frataguna fort: „Stell dich darauf ein, dass
es noch eine Weile so weitergeht. Bei mir war es auch so. Als ich mit Faiduma
schwanger war, habe ich mir zwei Monate lang jeden Morgen die Seele aus dem
Leib gespuckt. Danach wurde es endlich besser. Das ist meistens so, denn
andernfalls würden schwangere Frauen verhungern, und die Menschheit wäre längst
ausgestorben.“
„Es heißt, wenn die Übelkeit besonders schlimm ist, wird es
ein Junge“, behauptete Mannuja.
„Hörst du? Ein gutes Zeichen!“
„Also: Je schlechter es mir geht, umso besser ist das“,
sagte Paruschjati sarkastisch.
„Auf jeden Fall musst du dich schonen“, redete Frataguna
weiter. „Nichts Anstrengendes. Dafür viel schlafen und ausruhen.“
„Und vor allem viel essen, weil du die Hälfte von allem
wieder von dir gibst“, meldete sich wieder Mannuja zu Wort. „Warum machst du
nicht einen Besuch im Tempel der Ninmach und bittest die Göttin um einen gesunden
Sohn? Ihr Heiligtum liegt gleich gegenüber vom Alten Palast, du hättest es also
nicht weit.“
Frataguna rümpfte die Nase. „Eine Parsa-Dame sollte nur zu
Ahura Mazda beten oder zu Anahita und Mithra und den anderen Göttern, die die
Parsa schon vor der Zeit des Propheten Zarathuschtra verehrt haben.“
Mannuja war eine Elamerin aus Susa. Sie teilte Fratagunas
religiösen Purismus natürlich nicht. „Ninmach ist Anahita, in Babiru
trägt sie nur einen anderen Namen. Bei uns in Elam heißt sie Kiririscha. Sie wacht
schützend über Schwangere, Gebärende und neugeborene Kinder, also ist sie in
diesem Fall genau die richtige Adresse.“
„Ninmach hat absolut nichts zu tun mit Anahita, der von
Sternen Gekrönten“, beteuerte Frataguna hitzig. „Sie ist nur eine von den zahllosen
Daiva, die in Babiru und anderswo angebetet werden und deren Kult Zarathuschtra
ausdrücklich verboten hat.“
„Ach ja? Und warum haben dann die Großkönige außer Ahura
Mazda, Anahita und Mithra auch noch allen möglichen anderen Göttern regelmäßig
Opfer darbringen lassen?“
„Aus Rücksicht auf ihre irregeleiteten Untertanen, die an
ihren einheimischen Daiva hängen. Und die sogenannten Göttinnen von Babiru
haben einen besonders schlechten Ruf, ihre Priesterinnen sind oft nicht mehr
als Prostituierte …“
„Hört auf zu streiten“, setzte Paruschjati der Debatte ein
Ende. „Wir wissen doch noch gar nicht, ob ich wirklich schwanger bin. Heute ist
erst der dritte Morgen, an dem mir übel geworden ist. Die Ursache könnte alles
Mögliche sein. Wenn ich zum Ninmach-Tempel gehe, erfährt es auf der Stelle der
ganze Palast, und es gibt Gerüchte. Was ist, wenn sich später herausstellt,
dass ich gar nicht schwanger bin? Alle würden über mich lachen. Nein, ich warte
erst einmal ab, bis ich sicher bin.“
„Vielleicht hast du recht“, lenkte Mannuja ein. „Vielleicht
ist es wirklich etwas anderes. In dieser Stadt wimmelt es von Krankheiten, sie
kommen aus den Sümpfen im Süden oder mit dem Wind aus der Wüste. Deshalb habe
ich etwas für dich besorgt.“ Sie kramte in dem Lederbeutel an ihrem Gürtel, in
dem sie die Schlüssel zu den Vorratskammern und andere wichtige Dinge
aufbewahrte. Schließlich holte sie einen kleinen Gegenstand hervor, der in ein
Stück Stoff eingewickelt war. Sie entfernte es und übergab Paruschjati eine
Kette mit einem Anhänger. „Dieses Amulett stellt den Schutzgeist Pazuzu dar.
Die Einheimischen sagen, er hilft gegen Übelkeit und Bauchkrämpfe.“
Paruschjati musterte das Amulett. Das Wesen, das es
darstellte, besaß annähernd menschliche Gestalt, bis auf die Flügel, die furchterregenden
Klauen und den Skorpionschwanz. Das Gesicht war grotesk verzerrt.
Abfällig sagte Frataguna: „Sieht wie ein Daiva aus, nicht
wie ein guter Geist.“
„Pazuzu ist ein babylonischer Dämon“, gab Mannuja zu, „aber
er hält andere, gefährlichere Dämonen fern.“
„Zumindest kann es nicht schaden“, sagte Paruschjati und
hängte sich das Amulett kurz entschlossen um den Hals. Die Wirkung von
Philippos’ Medizin hatte nicht lange
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