Die Perserinnen - Babylon 323
das
makedonische Königshaus. Obwohl Perdikkas und Atalante Gambija meist nicht viel
Aufmerksamkeit schenkten, hatte sie doch einiges Interessante bei ihnen
aufgeschnappt. Gemeinsam kamen sie zu dem Schluss, dass die Zustände im
makedonischen Königshaus auch nicht besser seien als früher im persischen, nur
vulgärer.
Als Gambija schließlich Anstalten machte, sich zu
verabschieden, sagte Frataguna: „Heute Abend soll es wieder ein Fest bei Medios
geben. Wird der König daran teilnehmen?“
„Aber sicher, das Ganze war doch seine Idee. Jetzt muss ich
aber gehen, ehe Atalante merkt, dass ich fort bin.“
Nachdem Gambija gegangen war, sagte Frataguna zu ihrer
Schwester: „Na bitte, jetzt wissen wir es ganz genau: Der König hat es mit der
Trinkerei wieder einmal übertrieben und schläft nur seinen Rausch aus. Nichts
Neues also. Du siehst, es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.“
3
An der Hand ihrer Mutter spazierte Paruschjati durch den
weitläufigen Park, vorbei an Pappeln und Platanen, Hecken und blühenden
Rosenbüschen. Eine Pfauenhenne huschte mit ihren Küken vor ihnen über den Weg,
ehe sie zwischen den Sträuchern verschwand. Wasser rieselte durch einen mit
Steinplatten ausgelegten Kanal und plätscherte leise vor sich hin. Die Luft war
vom Duft der Rosen erfüllt.
Sissingambri hatte sich mit ihrem Hofstaat im Schatten eines
Pavillons bei einem Wasserbecken niedergelassen. Damaspia und Paruschjati
blieben vor dem Sessel der Königinmutter stehen und verneigten sich.
„Ich möchte dir für deine Freundlichkeit danken!“, sagte
Damaspia. „Du hast mir und meiner Tochter das Leben gerettet.“
„Ich habe nur getan, was den Geboten Ahura Mazdas
entspricht“, erwiderte Sissingambri. „Niemand weiß, was die Zukunft bringt.
Vielleicht werde auch ich eines Tages auf die Freundlichkeit anderer angewiesen
sein.“
„Ahura Mazda möge das verhüten, doch ich wünsche dir, dass
dir das, was du für uns getan hast, tausendfach vergolten wird!“
„Und ich danke dir für deine guten Wünsche! Nimm Platz und
sei mein Gast.“ Sissingambri wies auf den Sessel, den ein Eunuch beflissen
zurechtrückte. Als Damaspia sich gesetzt hatte, stellte Sissingambri die junge
Frau vor, die zu ihrer Rechten saß. „Meine Tochter Statira, die Gemahlin des
Großkönigs.“
Damaspia verbeugte sich, und Statira tat dasselbe.
Paruschjati riss beide Augen auf, denn die Königin war mit Abstand die schönste
Frau, die sie je gesehen hatte, und in den Palästen des Großkönigs gab es viele
schöne Frauen. Statira hatte ein vollkommenes Gesicht und große, dunkel
strahlende Augen, über denen sich perfekte Brauen wölbten. Ihr Haar glänzte
blauschwarz und fiel ihr wie ein Vorhang bis zur Hüfte. Sie trug es offen und
ohne jeden Zierrat, vielleicht weil sie wusste, dass es ihr größter Schmuck
war.
„Was für ein reizendes kleines Mädchen!“, sagte
Sissingambri, und Paruschjati riss ihre Augen von Statira los. Die
Königinmutter streckte lächelnd die Arme nach ihr aus, und ihre Geste war so
einladend, dass Paruschjati ohne weitere Umstände auf ihren Schoß kletterte,
wahrscheinlich sehr zu Damaspias Bestürzung. „Wie alt bist du?“
„Sieben“, erklärte Paruschjati.
Aus der Nähe betrachtet war Sissingambris Haut knittrig und
durchscheinend, ihre Haare waren weiß. Paruschjati hatte bereits gehört, dass
Statira nicht nur Darajavahuschs Frau, sondern auch seine Schwester war, aber
Sissingambri sah alt genug aus, um eher ihre Großmutter sein zu können.
Die Königinmutter wandte sich an Damaspia. „Hast du noch
andere Kinder?“
„Eine Tochter, Frataguna. Sie ist mit Vidarna verheiratet,
dem Sohn von Mazdai.“
„Mazdai, natürlich, der Großkönig hat ihn eben erst zum
Kschatrapavan von Athura ernannt.“
„Die Ärmste!“, ließ sich Statira vernehmen. „So weit von zu
Hause weg! Sicher war Artastuna sehr traurig, dass sie nicht am königlichen Hof
bleiben durfte!“ Paruschjati starrte die Königin fassungslos an. Offensichtlich
war sie wunderschön, aber nicht besonders klug, nicht einmal Fratagunas Namen
hatte sie sich richtig merken können. „Ich bin noch immer ganz überwältigt“,
plapperte sie weiter. „Hier in Schuscha ist alles so elegant, viel eleganter
als zum Beispiel in Armina. Das Leben dort ist schrecklich provinziell.“
„Armina ist ein Land weit im Norden“, erklärte Sissingambri
Paruschjati, die immer noch auf ihrem Schoß saß. „Mein Sohn, der neue
Großkönig,
Weitere Kostenlose Bücher