Die Perserinnen - Babylon 323
langweilte. Langsam und würdevoll schritten die drei
dahin, die Nasen hoheitsvoll in die Luft gereckt. Paruschjati versuchte, nicht
daran zu denken, was Damaspia sagen würde, sollte sie je von dieser Eskapade
erfahren. Unauffällig musterte sie die Jauna aus dem Augenwinkel, wobei sie
ihren Schirm so hielt, dass die Gesandten möglichst nicht erkennen konnten,
wohin sie blickte.
Die Jauna kamen ihr in der Tat sehr exotisch vor. Ihre
Kleidung schien nur aus dünnen Tüchern zu bestehen, die in Falten lose um ihren
Körper drapiert waren. Die Stoffe waren farbig, ansonsten aber schlicht, ohne
aufwendige Stickereien oder goldene Applikationen wie bei den Parsa. Am
seltsamsten war, dass es weder Hosen gab noch lange Ärmel – die Arme und sogar
die Beine der Männer waren nackt! Auch ihre Köpfe waren unbedeckt. Soweit
Paruschjati das aus der Entfernung erkennen konnte, trugen die Jauna außerdem
keinerlei Schmuck.
Während Barschina und die beiden Mädchen an ihnen
vorüberstolzierten, starrten die Jauna sie überrascht an, einige sogar mit
offenem Mund. Andere machten unfreundliche Gesichter, wieder andere grinsten
anzüglich. Zwei oder drei riefen ihnen sogar etwas zu, was glücklicherweise
unverständlich blieb. Die Torwachen, über das Erscheinen dreier weiblicher
Gestalten an diesem Ort mit Sicherheit nicht weniger überrascht, verzogen
dagegen keine Miene – sie wussten eben, wie man sich in der Umgebung des
Großkönigs zu benehmen hatte. Obwohl Paruschjatis eigenes Verhalten im
Augenblick auch nicht eben vorbildlich war, fand sie die Jauna äußerst unhöflich.
„Und?“, fragte Barschina Paruschjati, als sie die
gegenüberliegende Seite erreicht und sich in den Schatten eines Eingangs
zurückgezogen hatten. „Was hältst du von ihnen?“
„Ich habe gleich gesagt, sie sind nichts Besonderes“, ließ
Ilissa wissen.
Paruschjati klappte ihren Schirm zu. „Die Jauna haben
schlechte Manieren. Und sie müssen ziemlich arm sein.“
„Arm? Wie kommst du darauf?“
„Ihre Kleider sind so … so einfach. Nicht direkt schäbig,
aber irgendwie ärmlich. Und sie scheinen weder Gold oder Silber noch Edelsteine
zu besitzen.“
Barschina lachte. „Du hast recht, verglichen mit uns sind
die Jauna nicht besonders wohlhabend. Aber sie kleiden sich bewusst so
schlicht, sie halten das für elegant. Unsere Ausstattung finden sie dagegen
protzig und vulgär. Außerdem legen sie viel weniger Wert auf Förmlichkeiten als
wir.“
Vor allem Letzteres stimmte wohl. Aus der Sicherheit des
Durchgangs heraus warf Paruschjati einen letzten prüfenden Blick auf die Jauna,
die ohne erkennbare Ordnung im Hof herumstanden. Ihre Haltung war völlig
ungezwungen, ganz anders als bei den Parsa oder Mada oder den anderen Völkern,
deren Vertreter bei Hof erschienen. Außerdem schwatzten sie laut miteinander,
der Lärm drang bis zu ihnen herüber. Einige lachten sogar ganz ungeniert. Ganz
offensichtlich hatten die Jauna keine Ahnung, wie man sich in der erhabenen
Nähe des Großkönigs zu benehmen hatte. Oder aber, überlegte Paruschjati, sie
wussten es und es war ihnen egal. Sie waren eben ungehobelte Barbaren, auch
wenn sie im Großen und Ganzen wie normale Menschen aussahen.
Babylon, 20. Daisios
Herakles brüllte wie am Spieß. Paruschjati wusste nicht,
warum, hatte aber den Verdacht, dass ein Kind in seinem Alter keinen speziellen
Grund benötigte, um einen Aufstand zu veranstalten. Sie bemühte sich, den Lärm
zu ignorieren, während Barsine sich ihren Sohn unter den Arm klemmte und ihn
entnervt durch den Innenhof schleppte. Das Kindermädchen eilte herbei und nahm
ihr das schreiende Bündel ab.
„Ich bin sicher, dass alles halb so wild ist“, erklärte
Barsine, als das Geschrei für einen Augenblick nachließ. „Du kennst doch diese
Hofschranzen: Ständig verbreiten sie Gerüchte, um sich wichtigzumachen. Wenn
etwas Konkretes dahinterstecken würde, wäre es längst durchgesickert.“
„Das ist es ja gerade, was mich beunruhigt. Sonst wird jede
noch so banale Kleinigkeit gleich breitgetreten und bis in die hintersten
Winkel des Palastes kolportiert. Aber diesmal ist absolut nichts in Erfahrung
zu bringen.“
Selbst Farnakia hatte nichts Neues gehört, außer, dass in
Statiras Haushalt Vorbereitungen für ein Fest getroffen wurden. Ein Fest bei
Statira war das Letzte, was Paruschjati im Moment interessierte, zumal sie
vermutlich nicht befürchten musste, eingeladen zu werden. Auch an diesem Morgen
war sie wieder von
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