Die Perserinnen - Babylon 323
noch begleitet
hatten, preschten in die entgegengesetzte Richtung davon.
Die feindlichen Reiter hatten die Kolonne erreicht und
drosselten ihr Tempo. Der Mann, der Damaspias Wagen am nächsten war, beugte
sich plötzlich vor und angelte nach etwas, was glitzernd im Schlamm lag. Als er
sich wieder aufrichtete, hielt er ein goldenes Zaumzeug in der Hand. Der Soldat
lachte auf und brüllte seinen Kameraden etwas Unverständliches zu. Sie sprengten
johlend heran. Paruschjatis Augen begegneten denen des Soldaten, und sie
glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Im nächsten Augenblick riss Damaspia sie
zurück und zerrte die Vorhänge zu.
Mit angehaltenem Atem kauerten sie im Wagen und pressten
sich aneinander, doch nichts geschah. Langsam, aber stetig rollte der Wagen
weiter, während draußen das Hufgetrappel und die Rufe der feindlichen Krieger
immer lauter wurden.
„In diesem Jahr ist es schon sehr früh heiß geworden“, sagte
eine Stimme. „Sogar die Babylonier geben das zu, obwohl sie sonst ständig
behaupten, es sei noch gar nicht richtig heiß, man solle erst einmal den
Hochsommer abwarten.“
Paruschjati öffnete die Augen. Am Rand des Wasserbeckens
stand eine griechisch gekleidete Frau und warf etwas ins Wasser. Wahrscheinlich
Brotkrumen, denn die Fische stürzten sich mit Begeisterung darauf.
„Die Babylonier tun immer so, als ob sie uns für
überempfindlich halten, wenn wir uns über die Hitze beklagen“, stimmte
Paruschjati zu und setzte sich auf. Offenbar war sie kurz eingenickt. Mit ein
paar Handgriffen brachte sie den Faltenwurf ihres Kleides in Ordnung. Faiduma,
die neben ihr saß, räusperte sich.
„Dabei verbarrikadieren die Einheimischen sich selbst den
halben Tag in ihren Häusern.“ Die Fremde hatte sich halb umgewandt und lächelte
herüber. Ihr Gesicht kam Paruschjati bekannt vor.
„Die babylonischen Häuser sind die reinsten Verliese“,
erwiderte sie. Wieder räusperte sich Faiduma. „Es gibt kaum Fenster, nur dicke
Mauern, in den Räumen herrscht ständig dämmriges Halbdunkel.“
Faidumas Räuspern klang inzwischen, als habe sie sich
verschluckt. Paruschjati warf ihr einen besorgten Blick zu. Die Brauen des
Mädchens hoben und senkten sich ruckartig wie die Flügel eines Kranichs beim
Abflug. Immer wieder schossen ihre Blicke zu der Fremden hinüber, die
inzwischen im Fischteich einen regelrechten Aufruhr verursacht hatte. In ihrem
Heißhunger brachten die silbrigen Körper der Teichbewohner das Wasser zum
Kochen. Wieder lächelte die Fremde, und plötzlich fiel es Paruschjati wie Schuppen
von den Augen, wer sie war.
„Hättest du etwas dagegen, wenn ich mich ein wenig zu dir
setze?“, fragte Thais.
Faiduma bekam endgültig einen Hustenanfall.
Thais gehörte mit Sicherheit zu den letzten Personen in
Babylon, die als Gesprächspartnerin für eine persische Königin in Frage kamen,
und das nicht nur aus „beruflichen“ Gründen. Thais war es gewesen, die den
König vor einigen Jahren dazu angestiftet hatte, den Palast von Persepolis
niederzubrennen (Alexander musste damals wieder einmal ziemlich betrunken
gewesen sein). Hätte Paruschjati die Hetäre früher erkannt, hätte sie sie
selbstredend keines Blickes gewürdigt. Andererseits, überlegte sie, hatte sie
sich eben noch sterbenselend gefühlt, doch schon der kurze Wortwechsel über das
babylonische Klima hatte ihr Befinden spürbar verbessert. Paruschjati war
dankbar für alles, was sie von ihrem Elend ablenken konnte. Stumm wies sie
neben sich auf die Bank.
Thais warf den Fischen die letzten Brotkrumen zu, dann kam
sie herüber und setzte sich. Sie trug einen einfachen, aber mit Sicherheit
kostspieligen Chiton und hatte ihre blonden Haare zu einem schlichten Knoten am
Hinterkopf aufgesteckt. Ihr Gesicht war ungeschminkt, und das war auch der
Grund, warum Paruschjati sie anfangs nicht erkannt hatte.
Die Hetäre blickte sich um. „Ich komme gern in diesen
Garten. Es ist hier so kühl und ruhig, fast wie in einem echten Wald. Man kann
kaum glauben, dass das alles hier auf Pfeilern und Gewölben ruht. Es heißt,
eine babylonische Königin namens Semiramis habe den Garten angelegt.“
Das war wieder einmal typisch für die Griechen, dachte
Paruschjati. Sie hatten von nichts eine Ahnung, wussten aber alles besser.
„Samuramat war eine assyrische Königin“, erwiderte sie trocken, „und den Garten
hat nicht sie angelegt, sondern ein König namens Nabukudrassara. Der gleiche,
der auch die Paläste, die großen Tempel und
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