Die Perserinnen - Babylon 323
die Stadtmauern gebaut hat.“
„Ach wirklich?“ Thais lächelte ermunternd.
„Seine Gemahlin war die Tochter eines medischen Königs. Ihr
Name war Umati … oder Amytis, wie ihr Griechen sie nennt. Sie hatte Sehnsucht
nach den Bergwäldern ihrer Heimat, deshalb ließ der König die Hängenden Gärten
für sie errichten.“
„Dieser König muss ein freundlicher Mensch gewesen sein,
wenn er so großen Aufwand betrieben hat, um das Heimweh seiner Frau zu
lindern.“
„Ich glaube nicht, dass Nabukudrassara besonders freundlich
war. Er hat viele Länder erobert, unzählige Städte zerstört und ihre Bewohner
versklavt.“ Wie nahezu jeder König, dachte Paruschjati, jedenfalls, sofern sich
die Nachwelt an seinen Namen erinnerte.
„Vielleicht haben die Menschen deshalb den Garten eher einer
Königin zugeschrieben. Frauen sind weniger zerstörerisch als Männer.“
„Ja, ein solcher Garten passt eher zu einer Frau“, stimmte
Paruschjati zu.
„Frauen bringen Leben hervor, statt es zu vernichten wie
Männer. Kindern das Leben zu schenken, ist die größte Gabe, die die Götter den
Menschen verliehen haben, und sie haben sie uns Frauen gegeben. Sehnst du dich
auch nach Kindern?“
„Natürlich“, sagte Paruschjati. „Welche Frau würde das
nicht. Und außerdem …“
Sie brach ab. Aller guten Dinge sind drei, sagte ein
persisches Sprichwort, aber es besagte auch, dass die Dinge beim dritten Mal
gern absurde Züge annahmen. Paruschjati musste sich das Lachen verkneifen, als
ihr klar wurde, worauf Thais hinauswollte.
„… und außerdem habe ich mir vor ein paar Tagen den Magen
verdorben, aber inzwischen geht es mir wieder gut. Nur für den Fall, dass es
das ist, was du wissen wolltest.“
Sie konnte sich denken, wer die Hetäre auf sie angesetzt
hatte – wahrscheinlich ihr Gönner Ptolemaios, einer der ranghöchsten
makedonischen Offiziere in Babylon. Wie Perdikkas zuvor seine Schwester, so
hatte er seine Mätresse vorgeschickt. Und inzwischen war auch klar, in welcher
Absicht: Der König war ernsthaft erkrankt, seine Gefolgsleute wollten Klarheit,
welche Kandidaten im Bedarfsfall für die Thronfolge in Betracht kamen. Und was
war mit Apama – war sie nur neugierig gewesen? Oder stand auch hinter ihr
jemand anderes? Wenn ja, würde Paruschjati es bald erfahren, denn für den Abend
war das Fest bei Apama geplant.
„Vergiss einfach, was ich gesagt habe“, sagte Thais und
lächelte wie zur Entschuldigung. „Zumindest kann ich jetzt ehrlich sagen, dass
ich es versucht habe.“
Seltsamerweise nahm Paruschjati es ihr nicht übel. Wo Apama
berechnend gewesen war und Atalante taktlos und herablassend, da wirkte Thais
diskret und feinfühlig. Die Hetäre zeigte auf ein Gewächs mit dreispitzigen
Blättern, das vor einiger Zeit einen vergeblichen Anlauf unternommen hatte, sich
an einem Baumstamm emporzuranken.
„Das ist Efeu. Er wächst normalerweise nur in Europa.“
Paruschjati musterte die Ranken, die schlaff und müde über
den Boden krochen. „Sieht ziemlich verkümmert aus.“
„In Babylon gedeiht Efeu nicht richtig, es ist zu heiß.
Harpalos hat ihn hier angepflanzt, Alexanders abhanden gekommener
Schatzmeister. Er soll hier im Palast wie ein König residiert haben, zusammen
mit einer Kollegin von mir namens Pythionike.“
Davon hatte Paruschjati bereits gehört. Als Pythionike starb,
baute Harpalos für sie ein pompöses Grabmal, dann heuerte er eine andere Hetäre
namens Glykera an und siedelte mit ihr nach Tarsos über, wo er ebenfalls wieder
in Saus und Braus lebte. Harpalos musste Unsummen von Geld verprasst haben.
Kein Wunder, dass er es nach Alexanders überraschender Rückkehr aus Indien
vorgezogen hatte, das Weite zu suchen, natürlich nach einem weiteren tiefen
Griff in die Staatskasse.
Paruschjati musterte weiter den halb vertrockneten Efeu zu
ihren Füßen. „Was meinst du, warum Harpalos das Grünzeug hier anpflanzen ließ?“
„Vielleicht hatte Pythionike auch Heimweh.“
Gemeinsam lachten sie über den Scherz, und dann erzählten
sie sich gegenseitig alle ihnen bekannten Klatschgeschichten über Harpalos’
skandalumwittertes Liebesleben.
Ursprünglich hatte Apama mit ihrem Fest die weiblichen Gäste
über die Trennung von ihren Männern hinwegtrösten wollen. Doch da die Armee am
Morgen gar nicht aufgebrochen war, bestand hierfür eigentlich kein Bedarf mehr.
Dennoch hatte Apama ihr Fest nicht nur nicht abgeblasen, sie hatte sich sogar
eigens durch einen Boten
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