Die Perserinnen - Babylon 323
schrecklich übel. Dann war einige Tage nichts,
und ich dachte, ich hätte es überstanden. Aber dann ist es wiedergekommen, und
zwar schlimmer als zuvor.“
„Dann bist du’s“, stellte eine nicht mehr junge Frau fest,
eine von Barsines älteren Schwestern vielleicht oder auch eine Schwägerin (es
war nicht leicht, in der Familie den Überblick zu behalten). „Bei mir war es
auch immer so: Morgens spuckt man sich die Seele aus dem Leib, und tagsüber
stopft man sich mit allem voll, was man bekommen kann.“
Von allen Seiten prasselten gut gemeinte Ratschläge auf
Paruschjati nieder, ehe sich das Gespräch wieder allgemeineren Themen zuwandte.
Nach einer Weile stand Barsine auf zu einem Spaziergang durch den Rosengarten.
Ein Blick, und Paruschjati schloss sich ihr an.
„Ich habe es mir schon gedacht, wollte aber nicht
aufdringlich sein. Tut mir leid, dass Artaunisch nicht so zurückhaltend war“,
sagte Barsine.
„Ich habe dir nichts gesagt, weil ich zuerst sicher sein
wollte.“
„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich wollte dir nur
sagen, wie sehr ich mich für dich freue!“ Barsine lächelte und legte
Paruschjati die Hand auf den Arm. Doch als sie weitergingen, runzelte sie die
Stirn. „Thais hat mit Sicherheit im Auftrag von Ptolemaios spioniert. Klatsch
und Schnüffelei zum Thema Schwangerschaft sind unter uns Frauen normal, aber
ich frage mich, was Ptolemaios im Schilde führt. Hat sonst noch jemand
aufdringliche Fragen gestellt?“
„Nein.“ Paruschjatis Antwort war so schnell gekommen, dass
sie selbst davon überrascht wurde. Stell es klar!, pochte es in ihrem Kopf. Sofort! Doch sie brachte kein Wort über ihre Lippen. Ein Augenblick,
noch einer, dann war die Gelegenheit vorbei.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Barsine. „Dein Geheimnis ist
bei uns in guten Händen. Ich werde mit meinen Schwestern und den anderen reden.
Auf Außenstehende wirken wir manchmal vielleicht wie eine schnatternde
Gänseschar, aber wenn nötig, können wir so verschwiegen sein wie ein
Sardinenschwarm in Nearchos’ Ozean.“
Paruschjatis Lächeln sollte Dankbarkeit signalisieren, doch
in ihrem Inneren breitete sich Kälte aus. Warum hatte sie Barsine nichts von
Apama und Atalante sagen können? War es, weil sie sich für die hochfliegenden
Träume schämte, die beide in ihr geweckt hatten? Oder weil sie Barsine
plötzlich als Rivalin betrachtete? Denn wenn Paruschjati tatsächlich einen Sohn
bekommen sollte und wenn sie wirklich hoffte, dass er eines Tages seinem Vater
auf den Thron folgte … dann wäre Herakles als ältester Sohn des Königs ein
ernst zu nehmender Rivale für ihn.
Paruschjati, die schon so oft Opfer fremder Machtgier
geworden war, erschrak über ihren eigenen Ehrgeiz. Nun war es zu spät, die
Sache richtigzustellen, doch im Stillen schwor sie sich: Niemals würde sie
zulassen, dass ihr Ehrgeiz einen Keil zwischen sie und Barsine trieb!
Herakles schlief wie ein Toter, als seine Kinderfrau ihn vom
Boot trug. Die Sonne war bereits untergegangen, und es würde nun schnell dunkel
werden. Die Reisegesellschaft, noch aufgekratzt von dem geselligen Nachmittag,
ergoss sich schwatzend und kichernd auf den Kai, drängte sich durch die Pforte
in der Palastmauer und schwärmte lärmend durch das Labyrinth des Palasts.
Paruschjati verabschiedete sich mit einem Scherz von Barsine und machte sich
dann auf den Weg zu ihren Gemächern.
Farnakia, der ein wenig zurückgefallen war, schlüpfte an
ihre Seite. „Der Mann, mit dem du gestern auf der Mauer geredet hast“,
flüsterte er. „Er hat mich eben angesprochen. Er sagt, er hat wichtige
Neuigkeiten für dich.“
Ephippos! Paruschjati blieb stehen. Tatsächlich hatte sie
einen Augenblick lang gedacht, sie hätte ihn auf dem Kai herumspuken sehen.
Offenbar hatte sie sich nicht getäuscht.
Farnakia fuhr fort: „Wenn du mehr wissen willst, sollst du
dich heute Nacht im östlichsten Hof des Alten Palasts mit ihm treffen. Du
sollst allein kommen.“
„Allein? Nachts? Der Kerl musste verrückt geworden sein! Er
soll morgen bei mir vorsprechen.“
„Das habe ich ihm auch gesagt. Doch er meinte, er habe einen
Augenzeugen gefunden, der aber nur im Schutz der Nacht mit dir reden will.“
Paruschjati hatte den Verdacht, dass sich Ephippos mit
seiner Geheimniskrämerei wieder einmal wichtigmachen wollte, doch wenn sie mit
seinem mysteriösen Zeugen sprechen wollte, musste sie wohl oder übel nach
seinen Regeln spielen. Unbefugte sollten sich besser nicht zu
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