Die Pest Zu London
Zustand waren, in dem niemand sie anfassen oder ihnen nahekommen konnte.
Wirklich, das Schicksal der Menschen in diesem Seefahrtsviertel war sehr beklagenswert und verdiente das größte Mitgefühl. Aber ach! dies war eine Zeit, wo jedermann so sehr um seine eigene Sicherheit besorgt war, daß keiner Mitleid für die Nöte der anderen übrig hatte; denn jeder hatte den Tod sozusagen vor der Tür stehen, und bei vielen war er schon im Haus, und sie wußten nicht, was sie tun oder wohin sie fliehen sollten.
Dies, sage ich, löschte alles Mitgefühl aus; Selbsterhaltung schien in der Tat das einzige Gesetz zu sein. Denn Kinder liefen von ihren Eltern fort, wenn die in äußersten Qualen dahinsiechten. Und manchmal, wenn auch nicht so häufig wie umgekehrt, taten Eltern das gleiche ihren Kindern an; ja, einige gräßliche Beispiele gab es, einmal waren es gar zwei in einer Woche, daß Mütter, rasend und außer sich vor Pein, ihre eigenen Kinder töteten; eine davon war nicht weit weg von meiner Wohnung, und das arme wahnverblendete Geschöpf lebte nicht einmal so lange, um sich bewußt zu werden, welche Sünde sie begangen hatte, geschweige denn, um dafür die Strafe zu empfangen.
Man darf sich allerdings nicht zu sehr wundern, denn die unmittelbar drohende Gefahr für unser Leben ertötete alle Innigkeit der Liebe, jedes Gefühl des Umeinanderbekümmertseins. Ich spreche im allgemeinen, denn es gab viele Beispiele von Zuneigung, Mitleiden und Pflichtbewußtsein, die unerschüttert blieben, und mit einigen davon wurde ich näher bekannt, das heißt, vom Hörensagen; denn für die Wahrheit der Einzelheiten kann ich die Bürgschaft nicht übernehmen.
Um eines dieser Beispiele anzuführen, möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß in der ganzen Notzeit zu den bedauernswertesten Betroffenen die schwangeren Frauen gehörten, die, wenn die Stunde ihrer Wehen und der Niederkunft nahte, keinerlei Hilfe von irgend jemand finden konnten; weder Hebamme noch Nachbarsfrauen kamen zu ihrem Lager. Die meisten Hebammen waren tot, besonders die, die unter den Armen gewirkt hatten; und viele, von den angeseheneren Hebammen eigentlich alle, waren aufs Land geflohen; so war es beinahe unmöglich für eine Frau, die nicht einen unerhörten Preis bezahlen konnte, überhaupt eine Hebamme zu bekommen, die ihr beistand; und wenn sie eine bekommen konnte, dann war sie meist ein ungeschicktes und ganz unwissendes Geschöpf; und die Folge davon war, daß eine ungewöhnliche und übergroße Zahl von Frauen in die äußerste Bedrängnis geriet. Einige kamen nieder, und dann verdarb die Unerfahrenheit und Unwissenheit dieser Frauen, die nur vorgaben, Hebammen zu sein, alles. Zahllose Kinder, kann man sagen, wurden durch die gleiche, wenn auch unentschuldbarere Ignoranz gemordet, die vorgab, die Mutter retten zu wollen, was immer aus dem Kind wurde; und nur zu oft gingen auf diese Art sowohl Mutter wie Kind verloren; und wenn gar die Mutter die Seuche hatte, gab es niemanden, der zu ihr ging, und dann kamen sie manchmal beide um. Bisweilen war die Mutter an der Pest gestorben und das Kind vielleicht erst halb geboren, oder geboren, aber noch nicht von der Mutter getrennt. Manche Frauen starben schon in den Wehen und gebaren gar nicht; und so vielfältig waren die Fälle dieser Art, daß man sie kaum alle übersehen kann.
Etwas davon kann man in den ungewöhnlichen Zahlen aufscheinen sehen, die auf den wöchentlichen Sterberegistern eingetragen stehen (obwohl ich weit davon entfernt bin, ihnen zuzugestehen, daß sie einen auch nur annähernd vollständigen Bericht geben), und zwar unter den Rubriken:
Wochenbett
Früh- und Totgeburten Täuflinge und Kleinkinder
Nehmen wir die Wochen, in denen die Pest am heftigsten war, und vergleichen sie mit den Wochen des gleichen Jahres vor dem Ausbruch der Seuche. Zum Beispiel:
Wochenbett Frühgeburten Totgeburten
Vom 3. Januar bis 10. Januar 7 1 13
˝ 10. ˝ ˝ 17. ˝ 8 6 11
˝ 17. ˝ ˝ 24. ˝ 9 5 15
˝ 24. ˝ ˝ 31. ˝ 3 2 9
˝ 31. ˝ ˝ 7. Februar 3 3 8
˝ 7. Februar ˝ 14. ˝ 6 2 11
˝ 14. ˝ ˝ 21. ˝ 5 2 13
˝ 21. ˝ ˝ 28. ˝ 2 2 10
˝ 28. ˝ ˝ 7. März 5 1 10
48 24 100 Wochenbett Frühgeburten Totgeburten
Vom 1. August bis 8. August 25 5 11 ˝ 8. ˝ ˝ 15. ˝ 23 6 8 ˝ 15. ˝ ˝ 22. ˝ 28 4 4 ˝ 22. ˝ ˝ 29. ˝ 40 6 10 ˝ 29. ˝ ˝ 5. Sept. 38 2 11 ˝ 5. Sept. ˝ 12. ˝ 39 23 – ˝ 12. ˝ ˝ 19. ˝ 42 5 17 ˝ 19. ˝ ˝ 26. ˝ 42 6 10 ˝ 26. ˝ ˝ 3. Oktober 14 4 9
291 61 80
Zu der großen
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