Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
härteste Herz rühren, von den Fällen zu hören, die häufig vorkamen, daß zärtliche Mütter ihre geliebten Kinder umsorgten und umhegten und dann gar vor ihnen starben, und manchmal holten sie sich die Krankheit von ihrem Kind und starben, während das Kind, für das das liebevolle Herz sich geopfert hatte, alles überwand und davonkam.
    Oder wie es einem Händler in East Smithfield erging, dessen Frau ihr erstes Kind unter dem Herzen trug und in die Wehen kam, mit der Pest im Leibe. Er konnte weder eine Hebamme bekommen, ihr beizustehen, noch eine Kindsamme, sie zu warten, und die beiden Mägde, die er gehabt hatte, waren beide davongelaufen. Er rannte von Haus zu Haus wie ein Verrückter, konnte aber keine Hilfe finden; alles, was er erreichen konnte, war, daß ein Wachmann, der vor einem wegen Infektion gesperrten Haus auf Posten stand, am nächsten Morgen eine Krankenpflegerin zu schicken versprach. Der arme Mann kehrte mit gebrochenem Herzen zurück, stand seiner Frau bei, so gut er konnte, versah den Dienst einer Hebamme, brachte das Kind tot zur Welt, und eine Stunde später starb seine Frau in seinen Armen; und er hielt ihren toten Körper fest umschlungen bis zum Morgen, als der Wachmann kam und die Amme brachte, wie er versprochen hatte; und als sie die Treppe heraufkamen, denn er hatte die Haustür offen oder nur eingeklinkt gelassen, fanden sie den Mann mit seiner toten Frau in den Armen dasitzen und so vom Kummer überwältigt, daß er in einigen Stunden danach starb, ohne irgendein Zeichen von Ansteckung, sondern nur von der Last seines Kummers erdrückt.
    Ich habe auch von solchen gehört, die beim Tode ihrer Lieben vor unerträglichem Trauerschmerz irrsinnig geworden sind, und von einem im besonderen, der so vollständig von der Gewalt, die seine Geister erlitten, übermannt wurde, daß sein Kopf nach und nach in seinen Körper hineinsank, so tief zwischen die Schultern, daß sein Schöpf nur noch sehr wenig über das Schulterbein hinausragte; nach und nach verlor er Stimme und klares Bewußtsein, und sein Gesicht lag, vornübergebeugt, auf seinem Schlüsselbein und konnte nicht anders hochgehalten werden, als daß ein anderer es mit den Händen hochrichtete; und der arme Mensch kam nie wieder ganz zu sich, sondern siechte beinahe ein Jahr lang in diesem Zustand dahin und starb.
    Und nie konnte man ihn seinen Blick erheben oder einen bestimmten Gegenstand ins Auge fassen sehen.
Ich kann es nicht unternehmen, von solchen Begebnissen wie diesen mehr als einen allgemeinen Überblick zu geben, weil es unmöglich war, sich über die Einzelheiten zu unterrichten, da doch öfter die ganzen Familien, in denen solches sich zugetragen hatte, von der Seuche dahingerafft wurden.
Aber es gab zahllose Fälle dieser Art, die sich dem Ohr und dem Auge darboten, wenn man nur durch die Straßen ging, wie ich oben schon andeutete. Auch ist es nicht leicht, eine Begebenheit dieser oder jener Familie zuzuschreiben, ohne daß man eine ganze Reihe von ähnlich lautenden Parallelerzählungen vorfindet.
Aber da ich jetzt von der Zeit spreche, als die Pest im östlichsten Teil der Stadt wütete, wie die Leute dort sich so lange vorgegaukelt hatten, sie würden ungeschoren davonkommen, und wie überrascht sie dann waren, als es dennoch kam, wie es geschah (denn in der Tat, es kam über sie wie mit Waffengewalt) – ich sage, dies bringt mich wieder zu den drei armen Männern, die von Wapping aus loszogen, nicht wissend, wohin gehen und was tun, und die ich vorher schon erwähnte; einer ein Zwieback-Bäcker, einer ein Segelmacher und der dritte ein Schreiner, alle von Wapping oder da herum.
Die Verschlafenheit und das Sicherheitsgefühl waren dort, wie ich bemerkte, so stark, daß sie nicht nur keinerlei Vorsorge trafen, wie es andere taten, sondern sich brüsteten, sie seien sicher und die Sicherheit auf ihrer Seite; und viele Leute flohen aus der City und aus befallenen Vororten nach Wapping, Ratcliff, Limehouse, Poplar und so weiter, als Stätten der Sicherheit; und es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß sie dadurch, daß sie dies taten, halfen, die Pest nur rascher in dieser Richtung fortzupflanzen, als sie sonst gekommen wäre. Denn obgleich ich durchaus dafür bin, daß die Leute sich davonmachen und eine Stadt wie die unsere beim ersten Anzeichen einer ähnlichen Heimsuchung räumen und daß alle Leute, die nur irgendeinen Unterschlupf haben, davon beizeiten Gebrauch machen und abreisen, so muß ich dennoch sagen,

Weitere Kostenlose Bücher